Wie im echten Leben wechselt sich auch in unserem Urlaub die Erlebnisqualität ab - von Schwarz bis Weiß
Am gestrigen Sonntag haben wir mit leichten Zweifeln unseren Liegeplatz in Skärhamn aufgegeben, mit dem Ziel einer Ankerbucht bei Härmanö. Das scheinbar einfache Ablegemanöver geriet zum Desaster. Übervorsichtig, um nicht wie bereits beim Eintreffen mit dem Kiel eine Mooring-Leine unter Wasser zu fangen, hielt der Skipper etwas unentschlossen zu viel Abstand und begann zu spät Maschinenkraft gegen den abtreibenden Wind einzusetzen. Dadurch vertrieb die Santanita vollends in dem engen Hafen und wurde zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Umliegenden. Wir trieben quer vor die Hecks der am Ende des Beckens liegenden Boote und schafften es erst mit fremder Hilfe, den Bug wieder gegen den Wind in Fahrtrichtung zu bekommen. Ein kleiner Kratzer in unserem Steven wird bleibend an dieses Unglück erinnern. Mit diesem ernüchternden Erlebnis verließen wir den Hafen.
Laut Vorhersage wäre die rund 10 Meilen lange Fahrt mit moderatem Wind von der Seite verlaufen, tatsächlich wurden wir einmal mehr von knackigem Wind fast von vorne überrascht. Zwei kräftige Böen und die Aussicht, noch höher an den Wind zu müssen, machten klar, dass Segeln nach dem üblen Hafenmanöver alles nur noch schlimmer machen würde. Also haben wir uns für Maschinenfahrt entschieden - mit übler Stimmung. Unterwegs kamen wir vorbei an dem Hafen Mollösund, und es entstand die spontane Idee, den Tagestörn abzubrechen und dort einzulaufen, aber schon in der Hafeneinfahrt wurde offensichtlich, dass der kleine Hafen gnadenlos überfüllt war und wir auf engstem Raum würden manövrieren müssen - genau das also, was keine zwei Stunden vorher fast desaströs gescheitert ist. Das Einlaufen wurde kurz hinter der Hafeneinfahrt deswegen durch einen U-Turn abgebrochen und der ursprüngliche Plan mit nicht besserer Stimmung wieder aufgenommen. Mit der Kraft des gebundenen Kohlenstoffes setzten wir die Fahrt fort - bis hierhin ein ziemlich schwarzer Tag.
Das änderte sich augenblicklich, als der Anker in der Buch von Härmanö lag und wir nach einem Getränk die Anspannung Stück für Stück ablegen konnten. Die Bordfrau hatte einen herausragend schönen Platz ausgesucht. Die kräftigen Böen sollten noch etwas Bestand haben, aber der Anker hielt fest und das vorgelagerte Schärengestein gab einen guten Schutz. Zusammen mit etwa zehn anderen Booten genossen wir den Sonnenuntergang.
In der Nacht beruhigte sich der Wind, und am Morgen wurden wir von der ganzen Schönheit der kargen Natur in gleißender Sonne begrüßt. Eine der festen Bojen des Schwedischen Fahrtenseglerverbandes wurde frei. Das nahmen wir als Anlass für die Entscheidung, den Tag und eine weitere Nacht in der Bucht zu verbringen. Fix den Anker aufgenommen und die Santanita ab die sichere Boje geknüpft, waren wir derart in Aktion, dass wir gleich anschließend unser Kajak startklar machten. Das ist eine ziemliche Arbeit, weil das gute Stück recht gewichtig ganz unten in der Backskiste wohnt und nach dem kompletten Ausräumen des Stauraumes erst aufgeblasen werden muss. Aber was tut man nicht alles für die Aussicht auf einen Ausflug in ein Naturreservat - und der Aufwand wurde belohnt!
Es ist schon etwas eigenartig, das Boot allein auf See zu lassen und sich mit dem Kajak zu entfernen. Zumindest für uns war das eine neue Erfahrung - und eine neue Perspektive.
Das Naturschutzgebiet auf der Insel ist auf beschilderten Pfaden zu begehen. Das Verlassen dieser Pfade ist einerseits ganz offensichtlich unerwünscht, außerdem durch die Unwegbarkeit nahezu unmöglich. Aber auch die Eindrücke, die sich uns von den vorgesehenen Wegen boten, waren großartig! Die wissende Bordfrau fand überraschende Flora.
Leichte Anhöhen, geschätzt bis 50 Meter über dem Meeresspiegel, verschafften uns Panoramen, die weder mit Worten zu beschreiben noch mit Bildern einzufangen sind. Ausgerechnet unsere Ankerbucht konnten wir leider nicht sehen.
Nach dem Rückweg fanden wir unser Kajak am Strand vor wie wir es abgelegt hatten. Dass das anders sein würde, war ja auch ziemlich unwahrscheinlich. Vielen Menschen waren wir nicht begegnet. Zurück auf der Santanita nahmen wir ein Bad in der Bucht und sonnten uns im Cockpit. Für den Tag drauf wollten wir wieder einen Hafen ansteuern, also wurde das Kajak wieder verstaut, erneut relativ mühevoll. Trotzdessen hat uns der Einsatz voll überzeugt.
Abends beginnt ein Halsschmerz die Bordfrau zu quälen. Wir hoffen, dass sich dies nicht auswächst, liegen aber leider falsch.
Unser nächstes Ziel ist wieder ein Hafen: Grundsund: Der Törn dorthin bei schwachem Wind, nur mit Vorsegel, dauert gut drei Stunden, obwohl es nur knapp sechs Meilen sind. Wir sind froh, ohne schlimmen Wind zu segeln und nehmen die langsame Fahrt in Kauf. Vorbei geht es an Gullholmen, einem touristisch vollständig erschlossenen Ort, der sofort Erinnerung an Marstrand hervorruft. Wir fahren wieder vorbei - im massiven Schwell der ungezügelten Motorboote, die zwischen den teils ebenfalls motorenden Seglern Slalom fahren.
Der Skipper hatte am Abend die Route geplant und dabei Wegoptimierung betrieben. So segelten wir kurz vor unserem Ziel zwischen zwei Felsen hindurch, die wirklich sehr eng beieinander stehen, deren Durchfahrt aber laut Kartenwerk tief genug sein soll. Die Sache wurde derart knapp, dass die Bordfrau bereits den Finger auf dem Startknopf der Maschine hatte, wir aber mit allerletzter Fahrt doch unter Segen durchkamen. Auf dem linken Fels steht ein Haus, dessen Bewohner uns beglückwünschte, dass wir in diesem Jahr die Ersten seien, die die Enge unter Segeln bewerkstelligten. Auf sein nahezu akzentfreies Deutsch angesprochen, erklärte er, er habe eine Zeit in der Schweiz gelebt. Fast wäre ein ausgiebigeres Gespräch daraus geworden, aber auch mit unserer geringen Fahrt entfernten wir uns dann doch wieder.
Beim Einlaufen in Grundsund lösten sich gerade die Päckchen am Kai auf, und eine kleine Lücke tat sich auf, die wir mit einem präzisen Anlegemanöver für uns nutzten. Gleich gab es den nächsten Glückwunsch von der Hafenmeisterin, die von 'Toll gemacht - passt perfekt für Euch' sprach. Schön, so begrüßt zu werden - und ein willkommener Streichler für die Santanita-Crew nach dem traumatisierenden Ableger in Skärhamn.
Alles zusammen können wir nach dem 'schwarzen Tag' von einigen Sternstunden und besten Erlebnissen berichten - 'weiße Tage' sozusagen.