Schwarz und Weiß

Wie im echten Leben wechselt sich auch in unserem Urlaub die Erlebnisqualität ab - von Schwarz bis Weiß
Am gestrigen Sonntag haben wir mit leichten Zweifeln unseren Liegeplatz in Skärhamn aufgegeben, mit dem Ziel einer Ankerbucht bei Härmanö. Das scheinbar einfache Ablegemanöver geriet zum Desaster. Übervorsichtig, um nicht wie bereits beim Eintreffen mit dem Kiel eine Mooring-Leine unter Wasser zu fangen, hielt der Skipper etwas unentschlossen zu viel Abstand und begann zu spät Maschinenkraft gegen den abtreibenden Wind einzusetzen. Dadurch vertrieb die Santanita vollends in dem engen Hafen und wurde zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Umliegenden. Wir trieben quer vor die Hecks der am Ende des Beckens liegenden Boote und schafften es erst mit fremder Hilfe, den Bug wieder gegen den Wind in Fahrtrichtung zu bekommen. Ein kleiner Kratzer in unserem Steven wird bleibend an dieses Unglück erinnern. Mit diesem ernüchternden Erlebnis verließen wir den Hafen.
Laut Vorhersage wäre die rund 10 Meilen lange Fahrt mit moderatem Wind von der Seite verlaufen, tatsächlich wurden wir einmal mehr von knackigem Wind fast von vorne überrascht. Zwei kräftige Böen und die Aussicht, noch höher an den Wind zu müssen, machten klar, dass Segeln nach dem üblen Hafenmanöver alles nur noch schlimmer machen würde. Also haben wir uns für Maschinenfahrt entschieden - mit übler Stimmung. Unterwegs kamen wir vorbei an dem Hafen Mollösund, und es entstand die spontane Idee, den Tagestörn abzubrechen und dort einzulaufen, aber schon in der Hafeneinfahrt wurde offensichtlich, dass der kleine Hafen gnadenlos überfüllt war und wir auf engstem Raum würden manövrieren müssen - genau das also, was keine zwei Stunden vorher fast desaströs gescheitert ist. Das Einlaufen wurde kurz hinter der Hafeneinfahrt deswegen durch einen U-Turn abgebrochen und der ursprüngliche Plan mit nicht besserer Stimmung wieder aufgenommen. Mit der Kraft des gebundenen Kohlenstoffes setzten wir die Fahrt fort - bis hierhin ein ziemlich schwarzer Tag.

Das änderte sich augenblicklich, als der Anker in der Buch von Härmanö lag und wir nach einem Getränk die Anspannung Stück für Stück ablegen konnten. Die Bordfrau hatte einen herausragend schönen Platz ausgesucht. Die kräftigen Böen sollten noch etwas Bestand haben, aber der Anker hielt fest und das vorgelagerte Schärengestein gab einen guten Schutz. Zusammen mit etwa zehn anderen Booten genossen wir den Sonnenuntergang.

Sundown Hörmanö

In der Nacht beruhigte sich der Wind, und am Morgen wurden wir von der ganzen Schönheit der kargen Natur in gleißender Sonne begrüßt. Eine der festen Bojen des Schwedischen Fahrtenseglerverbandes wurde frei. Das nahmen wir als Anlass für die Entscheidung, den Tag und eine weitere Nacht in der Bucht zu verbringen. Fix den Anker aufgenommen und die Santanita ab die sichere Boje geknüpft, waren wir derart in Aktion, dass wir gleich anschließend unser Kajak startklar machten. Das ist eine ziemliche Arbeit, weil das gute Stück recht gewichtig ganz unten in der Backskiste wohnt und nach dem kompletten Ausräumen des Stauraumes erst aufgeblasen werden muss. Aber was tut man nicht alles für die Aussicht auf einen Ausflug in ein Naturreservat - und der Aufwand wurde belohnt!
Es ist schon etwas eigenartig, das Boot allein auf See zu lassen und sich mit dem Kajak zu entfernen. Zumindest für uns war das eine neue Erfahrung - und eine neue Perspektive.

Kajak vor Ankerplatz

Das Naturschutzgebiet auf der Insel ist auf beschilderten Pfaden zu begehen. Das Verlassen dieser Pfade ist einerseits ganz offensichtlich unerwünscht, außerdem durch die Unwegbarkeit nahezu unmöglich. Aber auch die Eindrücke, die sich uns von den vorgesehenen Wegen boten, waren großartig! Die wissende Bordfrau fand überraschende Flora.

Geißblatt

Leichte Anhöhen, geschätzt bis 50 Meter über dem Meeresspiegel, verschafften uns Panoramen, die weder mit Worten zu beschreiben noch mit Bildern einzufangen sind. Ausgerechnet unsere Ankerbucht konnten wir leider nicht sehen.

Panorama aus 50m

Nach dem Rückweg fanden wir unser Kajak am Strand vor wie wir es abgelegt hatten. Dass das anders sein würde, war ja auch ziemlich unwahrscheinlich. Vielen Menschen waren wir nicht begegnet. Zurück auf der Santanita nahmen wir ein Bad in der Bucht und sonnten uns im Cockpit. Für den Tag drauf wollten wir wieder einen Hafen ansteuern, also wurde das Kajak wieder verstaut, erneut relativ mühevoll. Trotzdessen hat uns der Einsatz voll überzeugt.

Kajakanfahrt

Abends beginnt ein Halsschmerz die Bordfrau zu quälen. Wir hoffen, dass sich dies nicht auswächst, liegen aber leider falsch.

Unser nächstes Ziel ist wieder ein Hafen: Grundsund: Der Törn dorthin bei schwachem Wind, nur mit Vorsegel, dauert gut drei Stunden, obwohl es nur knapp sechs Meilen sind. Wir sind froh, ohne schlimmen Wind zu segeln und nehmen die langsame Fahrt in Kauf. Vorbei geht es an Gullholmen, einem touristisch vollständig erschlossenen Ort, der sofort Erinnerung an Marstrand hervorruft. Wir fahren wieder vorbei - im massiven Schwell der ungezügelten Motorboote, die zwischen den teils ebenfalls motorenden Seglern Slalom fahren.

Slalom

Der Skipper hatte am Abend die Route geplant und dabei Wegoptimierung betrieben. So segelten wir kurz vor unserem Ziel zwischen zwei Felsen hindurch, die wirklich sehr eng beieinander stehen, deren Durchfahrt aber laut Kartenwerk tief genug sein soll. Die Sache wurde derart knapp, dass die Bordfrau bereits den Finger auf dem Startknopf der Maschine hatte, wir aber mit allerletzter Fahrt doch unter Segen durchkamen. Auf dem linken Fels steht ein Haus, dessen Bewohner uns beglückwünschte, dass wir in diesem Jahr die Ersten seien, die die Enge unter Segeln bewerkstelligten. Auf sein nahezu akzentfreies Deutsch angesprochen, erklärte er, er habe eine Zeit in der Schweiz gelebt. Fast wäre ein ausgiebigeres Gespräch daraus geworden, aber auch mit unserer geringen Fahrt entfernten wir uns dann doch wieder.

Enge

Beim Einlaufen in Grundsund lösten sich gerade die Päckchen am Kai auf, und eine kleine Lücke tat sich auf, die wir mit einem präzisen Anlegemanöver für uns nutzten. Gleich gab es den nächsten Glückwunsch von der Hafenmeisterin, die von 'Toll gemacht - passt perfekt für Euch' sprach. Schön, so begrüßt zu werden - und ein willkommener Streichler für die Santanita-Crew nach dem traumatisierenden Ableger in Skärhamn.

Alles zusammen können wir nach dem 'schwarzen Tag' von einigen Sternstunden und besten Erlebnissen berichten - 'weiße Tage' sozusagen.

Woche Vier

Fünf lange Tage und Nächte haben wir in Varberg verbracht. Der Tinnitus des Skippers, den er eigentlich durch Urlaub kurieren wollte, ist durch die Lärmkulisse des Windes im Hafen zu neuer Intensität angewachsen. Die Bordfrau leidet unter Schlafmangel, und allgemein sind wir gezeichnet durch Angestrengtheit und Durchhalterei. Aus diesem Grund fällt es uns schwer, die erste Chance zum Aufbruch zu ergreifen, dennoch raffen wir uns auf. Am Sonntag ist der Wind endlich runter und die Regenzellen rücken auseinander. Es entsteht für den Nachmittag ein Slot für die Flucht. Viele andere Crews sehen das wie wir und machen die Boote klar. Nach etwas Motorfahrt aus der Zufahrtsrinne setzen wir die Segel. Dabei wird noch einmal deutlich, was sich in den letzten Tagen über uns ergossen hat: Das Großsegel der Santanita liegt aufgetucht wie ein Trichter auf dem Baum. Zwar hat der Skipper das Regenwasser, das sich dort sammelt, bereits im Hafen ablaufen lassen, aber beim Aufheßen des Segels kommt noch ein guter Rest erfrischend auf uns heraus.
Die folgende Segelei entschädigt. Mit halbem Wind machen wir rauschende Fahrt und lassen einige Boote hinter uns. Die Segelei ist derart erfreulich, dass wir unser eigentlich geplantes Ziel (Gottskär) verwerfen und etwas weiter fahren, vorbei an einem Atomkraftwerk und einer Art Aufklärungsstation mit Radioteleskopen oder ähnlichen Einrichtungen. Falls der Russe kommt, dann zumindest nicht unbemerkt. Tatsächlich handelt es sich wahrscheinlicher um wissenschaftliche Anlagen.

AKW

Abhorchstation

So erreichen wir am frühen Abend Lerkil - ohne Schauer und sehr zufrieden über die tolle Segelei. Dort herrscht totale Ruhe, eine Aura, die wir ernstlich vermisst haben. Der Hafen ist nicht sonderlich attraktiv, aber die Ruhe tut uns gut. Ein großartiger Sonnenuntergang belohnt uns für das Aufraffen am Mittag. Endlich können wir erholsam schlafen, ohne kreischenden Wind und Schüttelei und Schräglage. Nur ein Regen am Morgen stört ein bisschen.

Sondown_Lerkil

Nachdem der verzogen ist, ist auch der letzte Wind weg. Wir wollen dennoch nicht bleiben. Also beschließen wir einen kurzen Schlag mit Wind aus dem Tank. Knappe 12 Meilen geht es durch den beginnenden Schärengarten nach Hovaes. Die Flaute und die Maschinenfahrt ergeben eine gute Gewöhnung an die Manövrierarbeit zwischen den Felsen. Es erschließt sich Meile für Meile die bizarre Schroffheit der Landschaft - keine Chance diese Eindrücke mit der Kamera festzuhalten. Wir versuchen es dennoch.

erste_Schäre

Hovaes ist kein offizieller Gästehafen. Das wussten wir nicht und haben einfach unter dem Mastenkran festgemacht, wie es in einem Reisebericht erwähnt war. Kein Hafenmeister, kein Zugang zu Feuchträumen. Wir treffen einen Offiziellen des ansässigen Segelvereins, der auf die Frage nach dem Hafengeld mit den Augen zwinkert und uns eine gute Nacht wünscht.

unterm Kran

Ein kurzer Spaziergang führt uns zu einer Badestelle. Dort gibt es auch ein Hafenrestaurant, in dem wir am Abend einen "Seglerburger" verhaften. Der Wirt, dem wir uns als segelnde Gäste öffnen, überschüttet uns mit Tipps, welche Orte wir alle besuchen sollten. Das schaffen wir in diesem Urlaub nicht.

Nach einer entspannten Nacht machen wir am Morgen den Plan für den nächsten Schlag. Wir wollen Göteborg liegen lassen und eine nördlich vorgelagerte Insel namens Öckerö besuchen. Die Fahrt sollte einfach verlaufen, mit halbem Wind, später etwas höher, aber zahm - tat sie aber nicht. Entgegen der Vorhersage blies es aus dem Fjord, in dem sich tief drin Göteborg befindet, mit satten 20 Knoten, an die wir ganz hoch dran müssen. Zum Glück hatten wir uns von Beginn an für reduzierte Besegelung - nur mit Vorsegel - entschieden. So wurde die Sache überhaupt machbar. Spaß gemacht hat's trotzdem nicht. Neben dem Material wurden auch die Nerven der Bordfrau auf eine harte Probe gestellt. Mit diesem akuten Trauma liefen wir bei tief hängenden dunkelgrauen Wolken in den Hafen von Öckerö ein. Der hätte bieten können, was er wollte, wir waren ziemlich wenig begeistert. Auch das Angebot des örtlichen Hökers konnte nicht aufmuntern. Immerhin gab es einige Backwaren, die uns am Morgen zum Frühstück schon gefehlt hatten. Abends leerte die Bordfrau den Rest des Rotweinschlauches und der Skipper nahm etwas trockenen Sherry. So beruhigt fanden wir einen tiefen Schlaf.
Der Morgen begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein. Sofort waren wir etwas versöhnt mit Situation und Ort. Dennoch wollten wir auch hier nicht bleiben.

Öckerö

Wieder mit nordwestlichem Wind und kleiner Besegelung machten wir uns auf, weiter nach Norden. Der harte Schlag des Vortages hatte immerhin unser Selbstbewusstsein bezüglich der Manövriererei zwischen den Schären ziemlich erhöht, selbst unter schwierigen Bedingungen.

Für den Abend haben wir uns einen ersten Höhepunkt des Schärensegelns vorgenommen: Eine Ankerbucht hinter einer Schäre, die uns vor dem Westwind schützen sollte. Allerdings hatten wir uns die etwas privater vorgestellt, denn sie war bereits belagert von einer guten Handvoll Booten, die direkt am Stein festgemacht hatten. Diese Art festzumachen bleibt uns verwehrt, aufgrund unseres erheblichen Tiefgang und des senkrechten Stevens ohne Abstieghilfe.
Also klassisch mit Grundeisen. Unser erster Eindruck war wenig romantisch, denn kurz nach unserem Ankern kam noch ein ganzer Schwung von Sportbooten, Seglern wie auch Motorbooten, die ebenfalls die Festmacher an der Schäre suchten. Nur wir lagen vor Anker. Der Windschutz des Felsens reichte kaum, um unter dem grauen Himmel für Annehmlichkeit zu sorgen. Wir verkrümelten uns unter Deck und kochten uns tatsächlich ein wärmendes Heißgetränk. Erst später kam die Sonne wieder durch und der Wind ließ nach. So kam dann doch noch _das_ Ankerbucht-Gefühl auf, das wir gesucht haben, obwohl wir uns die Bucht am Ende mit achtzehn Booten teilen mussten.

Ankersundown

Es folgte eine seelenruhige Nacht mit tiefem, erholsamen Schlaf. Lange hielt der Schlaf jedoch nicht, denn die Morgensonne entfaltete mit voller Kraft ihre weckende Wirkung. Die spiegelglatte See verstärkte diese Wirkung durch die Reflektion. Unser Solarpanel trieb die Bordspannung auf weit über 13 Volt. Ein brötchenloses Frühstück verschaffte dem Skipper Kraft für das Ankermanöver. Sicherheitshalber hatten wir ein zweites Grundgeschirr am Heck ausgebracht, so dass gleich zweimal Sport getrieben werden musste, bevor wir das Vorsegel ausrollten. Leider war auch außerhalb der schützenden Bucht so wenig Wind, dass wir mit Maschinenkraft für Vortrieb sorgen mussten.
Der Einsatz des Motors war ohnehin geplant, denn unsere Fahrt sollte durch den Albrechtsund vorbei an Marstrand gehen. Dort ist das Fahrwasser so eng, dass Segeln fahrlässig wäre. Wir machten nur halbe Fahrt, weil die Landschaft und die Ansiedlungen derartig beeindruckten.

Albrechtsund

Irgendwann öffnete sich die schmale Rinne und vor uns lag Marstrand, der Ort, von dem alle Schärentouristen schwärmen. Im Törnführer steht, dass Marstrand konsequent auf 'finanziell potente Gäste' setzt, und so sieht es auch aus. Wir haben ein Monaco-Gefühl, als wir an den Häfen mit den Millionärs-Yachten vorbei schippern. Als Zielgruppe fühlen wir uns allerdings nicht angesprochen und passieren die High Society, sind aber froh, zumindest diesen Eindruck gewonnen zu haben.

Marstrand

Unser Ziel heißt heute Skärhamn, wo wir mit einem befreundeten Seglerpaar aus Strande verabredet sind, die bereits einige Wochen vor uns gestartet sind und uns schon auf ihrem Rückweg entgegenkommen.

Das sich öffnende Gewässer nördlich von Marstrand und die unglaublich schöne Schärenwelt täuschen nicht darüber hinweg, dass das Gebiet touristisch geflutet wird. Eine gefühlte Unendlichkeit an Booten, speziell auch Motorbooten schlängelt sich durch die bevorzugten Routen, die in den Seekarten ausgewiesen sind. Erst abseits derer findet man das ruhige Wasser, das entsteht, indem die Felsen die Wellen der offenen See brechen. Auf den vielbefahrenen 'Hauptstraßen' sind es die unzähligen Motorboote, die mit unangepasster Geschwindigkeit das Wasser wieder aufwühlen,  von der Geräuschkulisse ganz zu schweigen - schade. Es sind größtenteils auch Einheimische, die ihre Refugien suchen - und hinter allen möglichen Felsen finden. Dort stört dann nichts und niemand.

Wir kennen die Hauptstrassen nicht und so passiert es quasi aus Versehen, dass wir uns zwischen einsamen Felsen durchschlängeln. Das kann manchmal ganz schön kribbelig werden. Eine Durchfahrt war nur rund zehn Meter breit und ebenso hoch ragten steil die Steine nach oben. Das machte, dass es in der Durchfahrt absolut keinen Wind mehr gab und die Santanita drohte mangels Fahrt manövrierunfähig zu werden. Mit dem letzten Rest kinetischer Energie erreichten wir die Ausfahrt, an der sich das Vorsegel wieder füllte.

Angekommen in Skärhamn wurden wir bereits in der Hafeneinfahrt von einer jungen Mitarbeiterin auf einem Schlauchmotorboot in Empfang genommen und eingewiesen. Am Steg arbeiteten noch mehr junge Helferinnen mit roten Shirts und hießen uns hilfreich willkommen, indem sie uns die Mooringleine anreichten und die Vorleinen abnahmen - toller Service!

Rothemden

Die Crew der Hedda ist recht erfahren in dem Revier und gibt uns am Abend beim Konsum einiger Genussgetränke Tipps für die kommenden Ziele. Schon am darauffolgenden Tag fuhren sie weiter - für die Heimreise standen die Winde günstig. Für uns, die wir weiter nach Norden wollen, eher nicht. Skärhamn präsentiert sich uns sehr typisch, gastlich und mit einer äußerst freundlichen Kirche im Zentrum.

Grinsekirche

Wir bleiben ein paar Tage, genießen das inzwischen sommerliche Wetter und das Farbspiel der Sonnenuntergänge, wenn es nicht bewölkt ist.

Sundown_vor_Skärhamn

Außerdem erledigen wir ein bisschen Logistik (Einkauf, Wäschewaschen, Reinemachen), was auch beim Leben auf dem Boot notwendig ist.
Das Ende unserer vierten Woche verleben wir also in Skärhamn. Entgegen der ersten, anstrengenden Zeit sind wir nun wirklich im Urlaub. Wir stellen uns vor, dass die ersten drei Wochen üblicherweise unser gesamter Jahresurlaub gewesen und dass wir dann ziemlich enttäuscht wären. So aber sind wir sehr glücklich, dass das eben nicht der Fall ist. Trotzdem drängen sich erste Gedanken an die Rücktour auf. Erstmal wollen wir aber noch etwas in diesem traumhaften Revier bleiben.

Schweden

Und dann kam es wieder anders: Zwar hat Anholt großes Bleibe- und Genusspotenzial, aber die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist zwischen 'komisch' und 'heftig', so dass wir wieder einen Ort suchen, der zum Abwettern taugt. Das ist, wenn man andere Möglichkeiten hat, Anholt eben nicht. Deshalb entscheiden wir uns schon nach einer Nacht für die Weiterfahrt. Allerdings starten wir nicht gleich am Morgen, sondern verbringen immerhin einen guten Teil des Tages auf der Insel, gehen an den Strand und baden in der noch immer ziemlich frischen Ostsee.

Erst gegen drei Uhr am Nachmittag legen wir ab und haben bei perfekten Bedingungen eine großartige Überfahrt an die schwedische Westküste, nach Anholt quasi ein zweiter Meilenstein auf unserer Reise. Sehr alleine sind wir unterwegs, ohne Land in Sicht, lediglich beim Queren eines Verkehrstrennungsgebietes begegnen wir einem Tanker, mit dem wir uns über UKW Seefunk über die Passage einigen. Der Große darf vor, indem wir die Fahrt ein bisschen verzögern. Danach herrscht wieder vollkommene Einsamkeit. Erst nachdem wir Land in Sicht haben, sind auch einige Sportboote unterwegs. Das war eine großartige Überfahrt, sehr zügig und ohne jegliche Aufregung.

einsame Fahrt

Die Bordfrau hatte als Ziel die Stadt Varberg ausgesucht. In mehreren Gesprächen mit anderen Seglern wurde dieses Ziel als eher unattraktiv beschrieben, aber wir halten daran fest. Es ist ja immer eine Frage der Erwartung, die eine Bewertung ausmacht, und wenn das einsame Idyll einer Schärenbucht gesucht wird, ist eine touristisch belebte Hafenstadt sicherlich nicht der richtige Ort.

Deutlich vor Sonnenuntergang machen wir im Stadthafen fest an den weiß gestrichenen LKW-Reifen, die an der Kaimauer des Hafenbeckens die Gastliegeplätze kennzeichnen. Während des Ganges zum Hafenbüro versinkt der feuerrote Ball am Horizont. Im Hafen sind die schwedischen Boote nicht in der Überzahl. Norweger, Dänen, ein Schiff mit der Nationalflagge Australiens, eines aus Frankreich, eines aus der Schweiz und Deutsche haben teils in Päckchen festgemacht - eine hübsch internationale Mischung. In einem Hafenkiosk informieren wir uns, wo es am nächsten Morgen Brötchen geben wird. Weil es schon spät ist, kehrt bald Ruhe ein und auch wir ziehen uns nach einem Absackerchen zurück.

Varberg spät

Am Mittwochmorgen feiern wir unsere Schwedenankunft mit einem ausgiebigen Frühstück. Wir lernen, dass die an der Mauer angebrachten LKW-Reifen von innen von Schwalben bewohnt sind, die dadurch ganz nah bei uns sind und wohl am liebsten an unseren Brötchen teilhaben würden.

Kurz danach kommt der erste Regen. Wir freuen uns, dass wir nicht auf See sind. Als es wieder aufklart, besuchen wir die Stadt. Varberg ist gut auf uns vorbereitet und zeigt sich - ganz anders als die Segelkameraden es beschrieben haben - angenehm belebt und freundlich. Am frühen Abend beginnt in einer offenen Bar in der Nähe unseres Liegeplatzes eine sechsköpfige Truppe etwas Rhythm'n Blues zu spielen, während in der Innenstadt offensichtlich eine Pop-Coverband musiziert. Die Überlagerung entschärfen wir, indem wir die Band in unserer Nähe direkt besuchen. Die Herrschaften rocken gepflegt ab, einer der Gitarristen outet sich durch seine Features als Billy Gibbons Fan - das macht Spaß! Beim zweiten Bier beginnt es leider zu regnen und sowohl Musiker als auch Publikum ergreifen die Flucht. Schade....

too loud, too old

Fendertest

Nach dem Regen des Abends kam der Regen der Nacht. Nach dem Regen der Nacht kam wieder der Starkwind. Die Santanita liegt nur mittelmäßig geschützt am Kai und wird von dem heftigen Wind an die Wand gedrückt. Am frühen Morgen wird die Besatzung durch das Knartschen der Fender geweckt und der Skipper wird tätig. Eine neue Konfiguration der Puffer und eine zusätzliche Leine verschaffen wieder Ruhe, soweit man bei dem ordentlich durchgeschüttelten Boot von Ruhe sprechen kann. Hoffentlich platzen die Dinger nicht! Immer wieder werden wir in ordentlich Schräglage geschubst. Bereits vor einigen Tagen ist uns in so einer Situation ein Glas rote Soße vom Tisch in der Kombüse gerutscht - zum Glück ohne Schaden. Das wäre eine schöne Sauerei geworden. Vielleicht müssen wir künftig unsere Ausrüstung auch am Liegeplatz festlaschen.

ungeschützt

Die Wettervorhersagen für die kommenden Tage sind pur unerfreulich: Wahlweise gibt's Gekachel oder Gekübel, beides satt und gerne auch gleichzeitig. Heute ist Sturm. Alle paar Minuten zieht eine dreißig-Knoten Böe durch den Hafen, die gekreuselten Schlieren auf der Wasseroberflächen zeigen es deutlich. Es heult und pfeift, den ganzen Tag lang. Das nervt, und daran gewöhnt man sich auch nicht. Der Skipper ltscht gepeinigt einmal um das ganze Becken, um ein am Mast schlagendes Fall einer unbelebten Yacht festzumachen, weil es den ganzen Hafen beschallt wie ein Glockenturm. Wir können nicht leugnen, dass die Perspektive auf weitere Hafentage etwas mürbe macht und auch ein bisschen auf die Stimmung schlägt. In wenigen Tagen endet unsere dritte Urlaubswoche. Hätten wir nicht das erheblich große Glück weiterer Zeit, wäre diese Sommerfahrt ein ziemlicher Flop gewesen. Aber so motiviert sich die Bordfrau durch Lektüre der Törnführer und Hafenhandbücher für die Weiterreise nach dem Sauwetter - in ein paar Tagen.

Auf dem Dach des Hafenmeisterhäuschens werden mit roten Leuchtziffern die aktuellen Winddaten gezeigt, in Metern pro Sekunde, was physikalisch schön und richtig ist. Man multipliziert grob mit zwei, um die unter Seglern gebräuchlichen Knoten für die Windgeschwindigkeit zu erhalten.

15,8

Die folgende Nacht ist wenig erholsam. Zu zappelig sind die Bewegungen des Bootes, von 'in den Schlaf schaukeln' kann nicht mehr die Rede sein. Die sich an der Wasseroberfläche aufbauenden Kabbelwellen sind nicht mehr klein. Sie hämmern unter das flache Heck der Santanita, dass es klingt, als säße man in einer Schmiede.

Am Morgen sind wir gerädert und beschließen, das kleine Wetterfenster, das eine kurze Weiterfahrt ermöglichen könnte, nicht zu nutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch hohe Wellen stehen und das Fehlen eines nahegelegenen Ortes, in dem man weiter Abwettern könnte, lassen uns in Varberg bleiben. Inzwischen haben wir auch Freundschaft mit den Schwalben in den Reifen geschlossen.

Reifenbewohner

Wir drehen erneut eine Runde durch die kleine Innenstadt, stellen dabei fest, dass es hier eine geradezu wahnwitzige Dichte an Friseuren gibt. Ohne sie wirklich gezählt zu haben, sind wir absolut sicher, dass es sich um deutlich mehr als ein Duzend handelt - in den acht kleinen Straßen, die das Zentrum ausmachen. Hinter der Festung, die wir bereits gestern besucht haben, ist eine stattliche Bühne für ein Festival aufgebaut worden. Headliner ist am Samstagabend DJ Ötzi. Zum Glück steht da diese Festung zwischen Partygelände und Hafen....

Festival

Am Abend sendet Petrus uns die Bestätigung für das Bleiben. Grobe Böen und amtlicher Regen sorgen auch bei den Partypeople für Unterbrechungen der Veranstaltung. Wir sind darauf eingestellt und verbringen die Zeit unter unserer inzwischen heiß und innig geliebten Kuchenbude. Es gibt eine von der Bordfrau bereitete Gemüsepfanne, dazu ein mediterran inspiriertes Brot vom lokalen Bäcker, abschließend Espresso - so geht's auch!

Anholt

Im Törnführer steht geschrieben: "Es ist so: Jeder, der auf der Ostsee segelt, will einmal nach Anholt, und hat er es geschafft, dann ist das quasi der Ritterschlag als Ostseesegler." Seit heute dürfen wir uns nun auch zu diesem Wassersportadel zählen!

Die Bordfrau hatte durch latente Observation der Wind- und Wetterprognosen ein paar geeignete Stunden ausgewählt, um den Schlag über's Kattegat anzugehen. Erst kurze Zeit vor der Abfahrt wurde dem Skipper klar, dass ein riesiger Windpark auf der direkten Verbindung zwischen Grenaa und Anholt läge. Dieser sei durchfahrbar, heißt es aus inoffiziellen Quellen. Das scheint zu ungewiss und so nahmen wir zunächst Kurs um die südlichen Windräder. Bei Annäherung packte uns aber der Mut und wir beschlossen, zumindest durch die südlichste Reihe der Windenergieanlagen hindurch zu segeln. Der Eindruck ist ziemlich überwältigend:

Windkraft

Jedes Windrad ist geschätzt von der Wasseroberfläche bis zur Nabe des Rades 60 Meter hoch, die Länge der Flügel vielleicht 45 Meter. Richtig, damit würde ein Treffer des Flügels uns ziemlich genau die UKW-Antenne aus dem Masttopp fällen! Und nach Prüfung dieser Schätzung ist es noch deutlich gewaltiger: "Zum Einsatz kommen 111 Windkraftanlagen des Typs Siemens SWT 3.6-120 mit einer Nennleistung von 3,6 MW, einem Rotordurchmesser von 120 Metern sowie einer Nabenhöhe von 81,6 Metern, die Gesamthöhe der Anlagen bis zur Rotorspitze beträgt folglich 141,6 Metern."
Der Skipper führt seit Jahren einen Austausch über Energieversorgung und Ökowende mit einem befreundeten Ingenieur. Der heutige Eindruck wird in den künftigen Dialog einfließen.

Im Hafen von Anholt angekommen bekommen wir sofort eine Idee davon, warum dieser Platz so umschwärmt ist. Seidenweicher, weißer Ostseestrand, türkis-blaues Wasser, begünstigt durch strahlenden Sonnenschein und eine sommerliche Temperatur, wahrhaftig paradiesisch.

Stand von Anholt

Morgen wollen wir sehen, was Anholt uns noch zu zeigen hat.