Rabenschwarzes Wochenende 20./21./22. Oktober 2023

Die Nacht vom Freitag, den 20. auf Samstag, den 21.10.2023 wird auf lange Zeit in die Geschichte der Ostseeküste eingehen. Ein extrem starkes Sturmhochwasser war angesagt - und traf auch ein, sogar noch etwas stärker. Der Oststurm drückte das Wasser in die Kieler Bucht, und die exponierten Sportboothäfen, z.B. Schilksee und Damp, erlitten schreckliche Schäden. Allein in Schilksee gingen über 50 Yachten unter, Stege wurden weggerissen und selbst aus den Molen wurden riesige Steine herausgetragen. Es wird Jahre dauern, all diese Schäden zu reparieren.

Der Skipper war am Freitagabend gegen 18:00 Uhr vor Ort. Zu diesem Zeitpunkt war die lage drastisch, aber bis auf ein achterlich losgerissenes Schiff war alles noch in Ordnung. Im Hafen stand das Wasser einen sehr guten Meter über Normal, die Stege waren unter Wasser, die Molen wurden überspült und die Wellen schwemmten bis auf die Promenade.
Über Nacht hat Mutter Natur dann aber noch eine Schippe draufgelegt. Das Wasser stieg um weitere 40 Zentimeter an und eine zusätzliche Windstärke trieb die Wellen der Ostsee nahezu ungebremst über die Molen.

Am darauffolgenden Morgen erstarrte Schilksee im Desaster, die Folgen wurden sichtbar. Unverdrossene Helfer begannen sofort mit Bergungs- und Sicherungsarbeiten dessen, was noch zu retten war. Fassungslose Seglerinnen und Segler weinten um ihre gesunkenen oder schwer beschädigten Boote. Nur wenige Schiffe blieben in dieser Nacht von den Gewalten der See verschont.

Wir selbst sind fast beschämt von unserem unglaublichen Glück, mit der Santanita bereits einige Tage vorher in einer Bootshalle untergekommen zu sein. Und trotzdem werden auch wir dieses Wochenende nicht vergessen, die vielen gebrochenen Seglerherzen und die schaurigen Bilder.

Es gibt hier keine Fotos, nur einige Grafiken aus den Wettervorherssagen bzw. Messwerten (Windfinder.com und BSH.de), um für zukünftige Ereignisse zu sensibilisieren. Die Vorhersagen wurden immer weiter nach oben korrigiert, aber die Entwicklung war einige Tage vorher erkennbar.

Sommerurlaub 2023

9. Juni 2023 - Abreise

Da ist er endlich - der Sommerurlaub 2023. Wir sind dieses Jahr früh dran, weil der Kalender der Bordfrau fremdbestimmt ist. Der Skipper kann sich glücklicherweise drauf einstellen, und so haben wir unsere 'große' Auszeit bereits vor vielen Wochen festgeschrieben. Dass wir die Kieler Woche versäumen werden, macht keinen großen Schmerz. Wir haben mehr als genug Trouble im Alltag und suchen einfach nur Ruhe. Selten waren wir so abgespannt vor dem Urlaub.

Am Wochenende zuvor haben wir nochmal alles gegeben und den von langer Hand vorbereiteten Goldenen Opti mit den Verein über die Bühne gebracht - ein voller Erfolg. Dann kam die letzte Arbeitswoche, in der wir parallel alle möglichen Vorbereitungen getroffen haben: Wohnung (die aus Stein) klarmachen, so dass man bei der Rückkehr nicht gleich mit dem Putzen beginnen muss, Einkauf und Beladen der (schwimmenden) Zweitwohnung, Information von lieben Mitmenschen, Kollegen und Nachbarn, abschließender Papierkram, der in den kommenden drei Wochen nicht aus dem Ruder laufen soll, uswusf..... Ziel sollte sein, unmittelbar nach Feierabend am Freitag mit dem Bus den Hafen zu erreichen und direkt die Leinen loszuwerfen.

Platz frei

Und so haben wir es auch geschafft: Am 9.Juni um 16:00 Uhr verlassen wir den Heimathafen. Quasi zeitgleich fliegen die Imocas des Ocean Races in die Kieler Förde. Der knackige Ostwind, der sich über den Tag aufgebaut hat, lässt die Kohlefasergranaten auf der Außenförde weit aus dem Wasser tanzen. Eine ansehnliche Flotte von Sportbooten bildet das Geleit - soweit möglich, denn die Rennboote sind natürlich extrem schnell unterwegs.

OceanRacer

Das Spektakel ist interessant, aber unser eigenes Bedürfnis geht uns vor. Außerdem sind die Kisten uns dann doch zu langsam. Wir wollen nicht auf die warten. Es ist zunehmender Wind angesagt, und dem wollen wir so weit wie möglich entkommen. Schon jetzt steht ein sportlicher Ostwind mit 5 Bft. auf der Strander Bucht und wir setzen gleich gerefft die Segel und fallen ab Richtung Norden.

Für diese Sommerreise gibt es ein paar Grundsätze: Kein Ziel, kein Ehrgeiz, ausschließlich Erholung und Wohlgefühl. Auch dieses Logbuch kann davon betroffen sein..... Also fahren wir über die Eckernförder Bucht, ohne zu wissen, ob wir in Damp, in der Schlei, in Sonderborg oder in Hørup ankommen werden. Nur die Richtung ist vorgegeben - durch den Wind. Der treibt uns ordentlich voran, an Damp sind wir vorbei, bevor wir drüber nachgedacht haben. Dann aber schlagen die geballten Vorbereitungsarbeiten der Woche wie ein Hammer ein: Der Skipper nickt ein und kurz nach seinem Wiedererwachen klagt auch die Bordfrau über massive Müdigkeit. Also geht's nach Maasholm. Zwar ist das ein Örtchen, das man auch an jedem Wochenende erreichen kann, aber was soll's - schließlich ist ja Wochenende! Kurz nach dem Festmachen brist es ordentlich auf. Gut, dass wir nicht weitergesegelt sind.

10. Juni

Am Samstag geht der Wind kaum runter. Wir bleiben im Hafen und nutzen die Zeit dafür, unsere Santanita wirklich vollständig vorzubereiten. In der vergangenen Woche haben wir das Utensil einfach nur an Bord gebracht, zweckmäßiges Stauen sieht anders aus. Das wird nun nachgeholt. Außerdem wird das Wasserstag repariert, ein paar Windfäden werden ins Großsegel geklebt und allgemein wird sauber und schick gemacht, damit wir uns total wohlfühlen. Und mit dem Einrichten kommt auch der erste Anflug von Entspannung bei uns an.

Am Abend knallt der Wind mit über 30 Knoten in den Hafen. Ein Ankömmling scheitert dramatisch am Einlaufen in seine Box und liegt nach seinem missglückten Manöver am Ende In Lee quer vor den Dalben in der Pappelallee. Mit ein paar Sportkameraden wird dem Segler geholfen, bis er ohne Schaden in seiner Box fest ist. Die Besatzung sieht ziemlich mitgenommen aus, und wir sind froh, nicht losgefahren zu sein.

11. Juni

Auch am Sonntag bläst es fast unvermindert weiter. es vergehen nur wenige Augenblicke, während derer der Wind deutlich unter 25 Knoten sinkt. Also beginnt unser Urlaub offensichtlich mit Hafentagen in Maasholm. Macht nichts, denn es ist bekanntlich richtig schön hier - und ruhig. Die Sonne verwöhnt uns den ganzen Tag und weil wir mit dem Bug gen Osten in der Box liegen sind wir im Cockpit gut vor dem Wind geschützt. So lässt es sich aushalten! Dies ist der erste Tag, an dem wir quasi nichts machen. Ein schönes Frühstück, ein Spaziergang durch den Ort, 'Chillen' im Cockpit....

Am Montag geht der Wind endlich ein bisschen runter. Es würde immer noch ziemlich ruppig werden, aber wir wollen endlich weiter. Also fahren wir mit fossiler Energie aus dem Hafen und gegen den Wind Richtung Schleimünde. Unterwegs beschließen wir, das AIS nicht abzuschalten. Wir wissen, dass einige Menschen unseren Törn 'beobachten'. Darunter gibt es welche, denen das Glück der Segelfreiheit durch blöde Krankheit aktuell nicht vergönnt ist und deren Sehnsucht in gewisser Weise durch die Verfolgung unserer Reise ein bisschen Frieden finden kann. Also nehmen wir die Transparenz in Kauf.
An der Mündung zur freien See angekommen, finden wir unsere Erwartungen bestätigt in Form einer stattlichen Welle, die direkt auf uns zu rollt. Die Santanita springt über die Kämme und gibt sich größte Mühe, uns nicht abzuwerfen. Mit reduzierter Segelfläche nehmen wir Kurs auf Als und bekommen die Dünung dadurch von der Seite. Das ist zunächst nicht besonders angenehm, aber nach einigen Minuten haben wir uns an die Schlingerei gewöhnt und es überwiegt die Freude am raschen Vorankommen. Wir entscheiden uns gegen die Fahrt durch den Alssund und somit für die Reise entlang der Ostküste von Als. Bald schon sind die großen Windräder von Kegnæs in Sicht und die Flensburger Förde ist passiert. Wir setzen die dänische Gastlandsflagge unter der Steuerbordsaling und haben augenblicklich das Gefühl, unserem Reiseziel, das es per Absprache ja gar nicht gibt, deutlich näher gekommen zu sein.
Als Wind und Welle es zulassen, reffen wir aus, um nicht zu langsam zu werden. Immer weiter reduziert sich die Geschwindigkeit, und als der Wind weiter achterlich dreht, setzen wir sogar unseren großen Gennaker. Aber auch der hilft nicht mehr, als wir uns nach kurzer Zeit in einer lokalen Flaute finden und tatsächlich noch einmal auf die Kraft des gebundenen Kohlenstoffes zurückgreifen müssen. Es genügt jedoch eine Viertelstunde Tuckerei, um ein neues Windfeld zu erreichen, welches unsere Santanita weiter treibt. Allerdings haben wir auf diese Weise einige Zeit verloren, zerschlagen deshalb die Idee fernerer Ziele und laufen Fynshav an. Dort waren wir schon und schätzen die Atmosphäre und die Ruhe. Der kleine Hafen wird von dem örtlichen Segelverein betrieben, der seine Einrichtungen freizügig zur Verfügung stellt. Lediglich die Veröffentlichung der Wassertiefe dürfte ein wenig genauer sein. Drei Versuche eine Box zu besetzen scheitern durch sanfte Grundberührung. Am Kopf des äußersten Stegs ist dann aber genug Wasser unter dem Kiel.

Stegkopf_Fynshav
Außerdem gibt es in Fynshav in ein paar hundert Metern Entfernung einen gut sortierten Supermarkt. Wir wollen uns weiter ausrüsten, um möglichst unabhängig von Versorgern zu sein. Auf dem Weg zum Markt begegnen wir den  örtlichen Intelligenzbestien, von denen eine uns (?) wiederzuerkennen scheint.

Esel

13. Juni
Nach dem Frühstück machen wir das Boot klar und laufen aus. Es weht ein frischer Ostwind, der für unseren Nordkurs perfekt ist. Die Santanita deutet an, was in ihr steckt. Dauerhaft zeigt die Logge knapp 8 Knoten an, manchmal auch ein bisschen darüber. Kein Boot um uns herum kommt da mit. Weil die Prognosen eine Drehung der Windrichtung zu unseren Ungunsten aufzeigen, ziehen wir nach dreieinhalb Stunden unsere erste Zieloption und steuern den Hafen der kleinen Insel Bågø an. Idyllisch, in nahezu karibischen Farben, präsentiert sich die Küstenlinie.

Küstenlinie Bagoe

Wir sind sofort sicher, den richtigen Ort für uns ausgesucht zu haben. Hier gibt es außer dem kleinen Hafenkiosk nichts. Das Dutzend Boote mehrt sich bis zum Abend noch etwas, der Wind flaut ab, und nach einem kurzen Spaziergang genießen wir mit Unterstützung einiger Genussmittel eine herrliche Frühsommernacht im Cockpit.

Genussmittel

Mittwoch 14. Juni
Während der Skipper sich einen Hafentag vorstellen könnte, beflügelt die Bordfrau die Phantasie von fernen Zielen. Von 'ganz früh Aufstehen und Losfahren' ist sogar die Rede. Aber wir bewahren die Ruhe. Erst als die Sonne wirklich hoch am Himmel steht, legen wir ab. Der Hafen liegt auf der windabgewandten Seite der Insel und so bekommen wir erst richtig Antrieb, nachdem wir uns durch einige windarme Zonen gehungert haben. Aber Eile ist uns ein Fremdwort und der Motor bleibt aus. In der Meerenge zwischen Assens und Bågø ist der Wind dann da, allerdings von vorne. Mit einigen Schlägen kreuzen wir ins freie Wasser des Kleinen Belts, hinter uns kommt eine große, moderne X-Yacht immer näher. Das Segeln hoch am Wind macht Spaß, besonders, weil sich keine Welle aufgebaut hat. Der dänische Skipper der X-Yacht grüßt, als sich unsere Schläge kreuzen. Er scheint die "Wettfahrt" anzunehmen und reizt die gesamte Breite der Enge aus. Auch wir optimieren den Stand der Segel und der Autopilot macht Pause. Spekulationen über die beste Strategie beginnen das Gespräch an Bord zu dominieren. Zwei Holländer müssen stark abfallen - der Wind hat etwas gedreht und wir wenden auf die günstige Seite. Das bekommt der Däne nicht mit und manövriert sich in eine unvorteilhafte Position. Mit vielen Längen Vorsprung gewinnt die Santanita das Rennen an einer von uns gedachten Ziellinie an der Einfahrt in die Enge vor Middelfart. Wir fühlen uns als X-40-Killer und laufen den Hafen von Strib an. Auch hier waren wir schon einige Male, aber es ist wunderschön und wir wissen, wo es die beste Pizza im Ort gibt. Im Hafen gibt ein Motorboot 'unseren' Liegeplatz frei, der optimale Sicht auf den Sonnenuntergang durch die Hafeneinfahrt gewährt. Dieser kommt früher als gefühlt erwartet, denn wir waren doch ein paar Stunden mehr unterwegs. Die Pizza und der Sonnenuntergang erfüllen unsere Erwartungen, und wir kippen zufrieden in die Koje - ein großartiger Tag!

Sundown Strib

15.Juni 2023

Am Donnerstag erleben wir etwas Außergewöhnliches: Über dem Hafen hängt eine dichte Wolkendecke! Während des Frühstücks beginnt es sogar zu regnen, und wir ziehen aus dem Cockpit in den Salon um! Aber schon als wir unter Deck das Besteck in die Hand genommen haben, hat es draußen aufgehört zu dröpseln. So schön das Wetter für unseren Sommerurlaub auch sein mag, die Flora der Umgebung bräuchte dringend Wasser. Beim Spaziergang am Vortag haben wir in fast allen Gärten rund um die Häuser grau-gelbe Rasenflächen vorgefunden. Da wächst sprichwörtlich kein Gras mehr, alles ist total verbrannt. Für den Moment verdrängen wir die daraus entstehende, düstere Gedankenwelt.
Der Tag vergeht wie im Flug. Wir machen das, was wir uns als einziges für den Urlaub ganz fest vorgenommen haben: Nichts. Am Abend besetzen wir eine der Sitzgruppen auf der Hafenmole, genießen den exklusiven Ausblick auf das ruhige Wasser und die das Bild dominierende Brücke, werfen unseren Grill an und verschlemmen bei sinkender Sonne unsere Trophäen aus dem Supermarkt.

Ausblick Brücke

Für den Freitag hat die Bordfrau eine total verrückte Idee entwickelt: Um einen größeren Schlag zu machen, will sie ein Zeitfenster nutzen, das gute Winde für das Erreichen des nächsten Liegeplatzes verspricht. Konsequenterweise ruft sie dafür eine Uhrzeit von 04:00 Uhr für das Leinen-los-Manöver aus. Mit diesem Vorsatz hauen wir uns in die Koje, um zumindest einige Stunden Schlaf zu bekommen.

16.Juni 2023

Als um 03:30 Uhr der Wecker klingelt, hinterfragen wir unsere Entschlusskraft erneut. Sich um diese Uhrzeit aus der Falle zu schälen, kostet schon etwas Überwindung. Aber die Bordfrau zieht durch - und der erlebnishungrige Skipper macht natürlich mit. Leicht verspätet legen wir um 04:15 Uhr ab. Schon nach wenigen hundert Metern legen wir Ruder Steuerbord und umrunden den Leuchtturm. Vor uns öffnet sich das Fahrwasser Snævringen. Auf nahezu spiegelblanker Oberfläche fahren wir in den Sonnenaufgang und sichten unzählige (naja, wir haben halt aufgehört zu zählen) Schweinswale und dreimal (bis drei können wir auch um diese Uhrzeit schon zählen) auch eine Kegelrobbe.

Sunset mit Wal

Diese Bilder, die wir nicht einfangen können, vergisst man nicht, und sie entschädigen locker für ein paar Stunden Schlaf!

Robbe

Der Törn nach Hou gestaltet sich abwechslungsreich. Von totaler Windstille bis 16 Knoten Wind ist alles dabei. Auch bei der Richtung des Windes wird lustig geschwenkt. Einige Male müssen wir kleine Stücke mit Maschinenkraft ergänzen, aber schlussendlich kommen wir am frühen Nachmittag in Hou an.
Der Hafen empfängt uns mit ausreichend freien Boxen, so dass wir die Wahl haben, das Boot zur Sonne und zum wenigen Wind auszurichten. Man will ja nicht im Schatten frühstücken. Nach dem Klarschiffmachen holt uns mit einiger Macht die Müdigkeit ein und wir geben uns geschlagen. Ein Nachmittagsschläfchen schafft Ausgleich für die aufgegebene Nachtruhe.

Nach unserem Nickerchen lernen wir den Liegeplatznachbarn kennen. Er hat einen toughen Plan: An seinem Motorsegler ist der Propeller abgefallen, und er will das Ersatzteil unter Wasser montieren. Mit Neoprenanzug und Bleigürtel, aber ohne Atemgerät, bereitet er sich auf seinen Einsatz vor. Der Santanita-Skipper kennt ähnliche Projekte, war selbst oft genug unter dem eigenen Schiff, allerdings nur für Inspektionen, nicht für eine Reparatur. Nicht zuletzt, weil unbeaufsichtigtes Tauchen eine weniger empfohlene Aktion ist, bietet er dem Nachbarn Unterstützung an. Nach erfolgreicher Mission entwickelt sich ein freundliches Gespräch, und wir haben einmal mehr den Eindruck sympathischer Offenheit und Unbeschwertheit. Nach einer Ausfahrt mit Gattin am nächsten Tag erklärt er, wie er sich darüber freut, seinen Propeller verloren zu haben. Das glücklichste Volk der Welt eben....

17.Juni 2023

Der Hafen von Hou hat nicht viel zu bieten, auch das Örtchen dahinter scheinbar nicht - ein Fährhafen ohne viel Infrastruktur. Es wird gebaut und die Kommune ist sichtlich bemüht, einen Urlaubsort daraus zu schaffen. Das braucht aber wohl noch ein paar Jahre. Dennoch liegt über dem Ort diese dänische Aura, die nicht vernünftig zu beschreiben ist. Hier ist es nicht 'hygge', aber irgendwie lässig und positiv.

Am Steg nebenan liegen eine Menge kleiner Kielboote, die offensichtlich zu einer Sportschule gehören, mit Flaggen geschmückt und fein aufgereiht lassen sie eine Veranstaltung erahnen. Ein ordentliche Gruppe Jugendlicher ist zusammengekommen, und am Abend gibt es ein paar Pop-Grooves aus einem Ghettoblaster. Es ist den ganzen Tag flautig und vermutlich wird deshalb nicht gesegelt. Wir zumindest bleiben im Hafen und verleben einen weiteren wunderbaren und erholsamen Urlaubstag.

18.6.2023

Wieder hat die beste aller Navigationsspezialistinnen ein Wetterfenster für die Weiterfahrt ausgemacht. Dem Skipper tut's gut, dass er diesmal bis 07:00 Uhr in der Koje bleiben darf. Gen Osten soll die Reise gehen, nur ein kurzer Schlag nach Mårup ist geplant. Die leichte Nordbrise, die für den Morgen vorhergesagt ist, soll es uns leicht machen, noch deutlich vor Mittag dort anzukommen.
Als wir aus der Hafenausfahrt raus sind, verabschiedet uns wieder eine Kegelrobbe. Die vielen Flachs nordwestlich von Endelave sind ein bevorzugter Lebensraum dieser Tiere. Wir freuen uns, setzen Segel und genießen das vollkommen entspannte Gleiten über die vom sanften Wind nur leicht krause See. Trotz der frühen Stunde hat die Sonne bereits Kraft - leichte Kleidung ist angesagt.
Nach einem guten Drittel der angedachten Überfahrt packt den Skipper die tollkühne Idee, trotz der geringen Tiefe den Hafen von Tunø anzulaufen, der inzwischen querab in Sicht kommt. Vor zwei Jahren sind wir hier vorbeigefahren, aber es sollte doch möglich sein, vielleicht im Außenbereich genug Wasser unter dem Kiel der Santanita zu behalten. Gedacht, gesagt, beschlossen. Wir laufen Tunø an und finden einen kleinen Hafen, der gut gefüllt von den Wochenendausflüglern der umliegenden größeren Ansiedlungen ist. Problemlos finden wir am nagelneuen Mittelsteg einen längsseitigen Platz und behalten einen halben Meter Abstand zum Grund - perfekt!
An den vier Stegen herrscht reges Treiben: Viele der Gästen müssen morgen wieder zur Arbeit und am heutigen Sonntag deshalb die Heimreise antreten - wir nicht! Als die Flucht beendet ist, liegen noch rund zwei Dutzend Boote im Hafen und es kehrt Ruhe ein. Uns wird bewusst, was für ein Idyll wir entdeckt haben. Ein toller Badestrand ist gleich neben dem Hafen. Die Straße Richtung Inselmitte führt vorbei an einer Gaststätte zum heute geschlossenen Inselhöker. Natürlich trägt auch das Wetter zum ultimativen Urlaubsgefühl bei: Die Sonne glüht den ganzen Tag vom wolkenlosen Himmel.
Bei all dem Freizeitglück muss der Skipper trotzdem irgendetwas schaffen. Auch die Santanita ist ein Dauerbastelplatz und so eröffnet er eine Baustelle, die längst in ihm auf Bearbeitung drängt: Die Sprayhood bzw. deren Metallbügel sind in einer Art am Decksaufbau befestigt, die das bauartlich vorgesehene Umklappen verhindert. Üblicherweise liegt das Boot im Hafen mit dem Bug im Wind. so sitzt man im Cockpit geschützt. Bei den Temperaturen der letzten Tag ist dieser Schutz eher unerwünscht - lieber hätte man etwas kühlende Luft um sich herum und dazu müsste der Windschutz eben eingeklappt werden.
Nach einer halbstündigen, von der Bordfrau unterstützten Durchführung einer seit Wochen gärenden Überlegung ist es getan: Die Sprayhood lässt sich mit ein paar Handgriffen lösen und nach vorne umklappen. Warum das anders war, wird ein ewiges Geheimnis bleiben. Schade ist, dass durch die langjährige Fehlstellung das Tuch der Sprayhood sich derartig angepasst hat, dass es jetzt etwas unglücklich verformt scheint. Trotzdem bewerten wir den Umbau als Erfolg und überlegen weitere Optimierungen der Sprayhood - da geht noch was!

Sprayhood geklappt

19.6.2023

Tunø ist toll! Hier sind wir dicht am Idealbild unseres Urlaubsziels, das es ja eigentlich gar nicht gibt. Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang über die Insel und finden viele liebenswerte Gestaltungen ....

Häuschen

..... und überwältigende Panoramen....

Panorama

..... - alles Postkartenmotive. Amüsant der Pragmatismus: Hier ist der Kirchturm gleichzeitig Träger für das Leuchtfeuer - in mehrfacher Sicht richtungsweisend.

Kirchleuchtturm

Auf dem Rückweg beginnt der Magen zu knurren. Da trifft es sich perfekt, dass ein abgeerntetes Kartoffelfeld am Weg liegt. Wir 'stoppeln' einige ungefundene Knollen vom Acker und bereiten uns daraus später in der Kombüse einen tollen Tunø-Teller mit Möhrchen und Zwiebeln, die von einem offenen Stand im Dorf stammen.
Im Hafen ist es trotz (oder wegen) der Idylle ziemlich lebhaft. Es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Die allerletzte Ruhe will hier nicht aufkommen, auch, weil wir am zentralen Steg liegen und viele Segler uns auf unser tolles Boot ansprechen. Das bauchpinselt, und der Skipper nimmt die Gespräche gerne an, aber die Inhalte wiederholen sich natürlich, und somit ist es auch ein bisschen langweilig und zeitraubend zugleich. So erwächst ein weiteres Kriterium für die künftige Liegeplatzwahl. Es geht nicht mehr länger nur um Windrichtung und Sonnenorientierung und Ausblick, sondern auch um weniger Belebung.
Bei einem Gang zur Abfallentsorgung tritt der Skipper in ein Loch und knickt fies um. Dadurch wird das vor einigen Wochen bereits lädierte Fußgelenk erneut beschädigt und schwillt bös an. Ab jetzt ist Schonung angesagt, damit der Rest des Urlaubs nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.

20.6.2023
Um weitere Plätze kennenzulernen, fahren wir an diesem Morgen weiter. Es soll unser letzter Schlag nach Norden werden, und unser Ziel wird die größte Entfernung zum Heimathafen darstellen. Ebeltoft heißt der Ort, den die beste aller Bordfrauen ausgesucht hat.
Wir haben keinen Wind zu Beginn der Fahrt und müssen wieder auf den Antrieb aus dem Tank zurückgreifen.

Flaute

Das angeschlagene Fußgelenk wird 'übers Heck' therapiert.

Knöchel

Eine Dreiviertelstunde brummt die Maschine, dann kann gesegelt werden. Inzwischen empfinden wir es als wohltuend, dass die Sonne sich für ein paar Stunden hinter einer geschlossenen Wolkendecke verbirgt. Wir kommen mit dem Eincremen kaum mehr hinterher und fühlen uns regelrecht gegerbt. Auch als wir nach einigen Stunden ankommen, brüllt der Stern uns wieder an.
Unterwegs queren wir den Weg der Schnellfähren, die das Festland mit der Insel Seeland verbinden. Bis zu 400 Autos und 1000 Menschen werden in einer guten Stunde mit rund 35 Knoten überführt. Das sind ziemlich beeindruckende Maschinen, aber sie scheinen auch arg deplatziert in dieser Umgebung.

Expressfähre

Am Abend gehen wir ein bisschen durch den Ort Ebeltoft - trotz des strapazierten Fußgelenks. Wir haben keine Lust mehr auf die selbständige Zubereitung eines Essens und gönnen uns den Besuch einer Pizzeria. Den Sonnenuntergang beobachten wir aus dem Cockpit der Santanita. Es ist die Nacht vor Mittsommer. Mit einem großen Glas Portwein feiern wir 'rein'.

21.6.2023
Ebeltoft ist der Inbegriff eines hyggeligen Städtchens. Die Straßen der Altstadt sind gesäumt von schiefen Fachwerkhäusern mit den für die Region so typischen Stockrosen.

Stockrosen

Die Straßen selbst sind schmal und mit Kopfsteinpflaster belegt. Da freut sich das Fußgelenk des Skippers! Am Ende der Hauptstraße befindet sich ein aus einer Malzfabrik neu gestaltetes, öffentliches Kulturzentrum mit einer Bibliothek. Von dem recht hoch gelegenen Gebäude bestaunen wir den tollen Ausblick über die Ebeltoft Vig.

Ausblick Malzfabrik


Im historischen Hafen liegt die dänische Fregatte Jylland. Ähnlich wie die Passat oder die Rickmer Rickmers hat sie einen endgültigen Liegeplatz in einem Schifffahrtsmuseum erhalten.
Bis zum Abend weht ein frischer Wind, auch durch die Straßen. Wir beschließen, an Bord zu bleiben, dort zu kochen und zu essen.
Die Hafengebühr ist mit 180 Kronen etwas über dem Durchschnitt. Mit unseren 9,25 Metern fallen wir unglücklich knapp in die Kategorie von 9 bis 13 Meter. Was aber wirklich den Rahmen sprengt, sind die zusätzlichen 50 Kronen (rd. 7 Euro) pro Nacht für Strom. Das ist mehr als doppelt so viel, wie wir für die Energieversorgung unserer Stadtwohnung aufbringen und scheint total unverhältnismäßig. Wir beißen in den sauren Apfel, weil unsere Solarautonomie leider noch nicht alle Geräte bedient.
Heute wird nun wirklich Mittsommer gefeiert. Das Procedere ist ja bereits getestet und muss nur wiederholt werden.

Mittsommer

Der Skipper ermittelt, dass hier die Nacht noch eine knappe halbe Stunde kürzer ist als in Kiel. Erstaunlich, denn so weit weg sind wir ja gar nicht. Obwohl eigentlich schon klar, machen wir fest, dass Ebeltoft der nördlichste Punkt unserer Reise ist. Mit Wehmut müssen wir erkennen, dass die Rückreise angetreten werden muss. Wo bleibt nur der Lottogewinn, der diesen Zwang bricht?

22.6.2023
Die Bordfrau beklagt seit Reisebeginn die lange nicht geschnittenen Haare. Hier in Ebeltoft fasst sie den Mut und bildet Vertrauen zu einem ortsansässigen Dienstleister in Sachen Frisur: "ZikZak" heißt das Fachgeschäft. Der persisch anmutende Däne beantwortet jede Frage und jede Bitte zur Durchführung des Haarschnitts mit einem Lächeln und "Yes, yes!", aber zum Schluss liefert er eine mehr als zufriedenstellende Arbeit ab. Die Bordfrau ist glücklich und nun endlich wirklich bereit für den Sommer.
Bezüglich der Rückreise erkennen wir für den Folgetag eine gute Gelegenheit: Nordwestwind ist prophezeit, und der soll uns in Südwestrichtung segeln lassen. Die Vorhersage scheint an der Obergrenze der komfortablen Segelei, aber eine weitere geeignete Lage ist für einige Tage nicht in Sicht. So planen wir einen frühen Aufbruch und einen weiten Schlag, um nicht in Bedrängnis bezüglich der Rückfahrt zu geraten. Die traditionelle Empfehlung "Ein Drittel der Zeit für die Hinreise, zwei Drittel für die Rückreise" haben wir ohnehin schon gebrochen.
Am Ebeltoft-Abschiedsabend setzen wir uns an die Mole und schauen den Sonnenuntergang an. Ebeltoft wirbt mit diesem Anblick, denn es sei der einzige sich nach Westen öffnende Hafen. Wir haben da andere Erfahrungen. Trotzdem erleben wir ein wunderschönes Schauspiel bis hin zu einem intensiven Rot am Horizont. 

Sundown Ebeltoft

23.6.2023
"Leinen los" war für 7:00 Uhr geplant, und das halten wir auch. Pünktlich tuckern wir mit Westkurs los und entfernen uns von der Mole. Der Nordeinschlag des Windes ist hoch genug, um gleich auf die Maschine zu verzichten und hoch am Wind die weit hinausreichenden Flachs zu umsegeln. Nach einer knappen halben Stunde fallen wir ab auf Südkurs in Richtung der Landspitze der Halbinsel, die die Buchten von Ebeltoft und Aarhus voneinander trennt.

Südkurs

Bis dort baut sich der Wind immer weiter auf, und als wir an der Ausfahrt der Bucht anluven, um mit Südwestkurs Tunø und das vorgelagerte Windkraftfeld nördlich zu passieren, spüren wir den kräftigen Vorschub. Die Santanita neigt sich auf den Backbordbug und macht ordentlich Fahrt. Wir sind früh genug unterwegs, so dass sich noch keine große Welle aus der Aarhusbucht aufgebaut hat. Auch mit den Schnellfähren geraten wir nicht ins Gehege. So sind wir bald in der Abdeckung der Ostküste Jütlands und fahren bequem südwärts.
Als nächstes müssen wir mit den Untiefen vor Hou aufpassen. Natürlich sind wir vorbereitet und finden die geeignet tiefe Spur. Dann aber öffnen sich von Westen nacheinander der Horsensfjord und dann die Buchten vor Snaptun und Julsminde, aus denen es erheblich herauspfeift. Vor Julsminde überlegen wir, die Fahrt für diesen Tag zu beenden, aber da für die kommenden Tage keine ähnlich günstige Lage in Sicht ist, überzeugt der Skipper die Bordfrau zur Weiterfahrt. Allerdings müssen wir südlich von Julsminde wieder anluven und aus der Vejlebucht kommt richtig viel Wind - und Welle. Diese Kombination beeindruckt, aber wir hoffen darauf, dass östlich der Landspitze Kasserode zumindest der Seegang runter geht. So kommt es auch, dafür wird der Wind nun ruppig böig und verstrahlt. Am Ruder muss aufmerksam reagiert werden. Das kann der Autopilot nicht. Auf Höhe der Kaianlagen von Fredericia bergen wir die Segel und machen die Maschine an.
Eigentlich hatten wir mehr als ausreichend Zeit, um über den Hafen für die kommende Nacht nachzudenken. Nun aber, als wir ganz plötzlich vor Ort sind und vor der Entscheidung stehen, sind wir nicht sicher. Die Marina Fredericia ist in unseren Augen unattraktiv, beim Stadthafen liest man von Schlepperschwell und Straßenlärm. Wir sind abgerackert und wollen keine Experimente. Also runden wir den Leuchtturm und gehen wieder nach Strib.

Leuchtturm Strib

Der Hafen ist in wenigen Minuten erreicht und 'unser' Liegeplatz ist frei - perfekt. Klarschiff, Höker, Würstchen mit Kartoffelsalat, und schon können wir der Anstrengung nachgeben. Wir erleben den Sonnenuntergang nicht mehr, aber wir sind froh, diesen langen Ritt gemacht zu haben, denn nun ist die Sorge um die Rückreise weg. Schließlich haben wir noch eine ganze Woche....

24.6.2023
Der Skipper findet es großartig, dass ihm die Törnplanung weitgehend abgenommen wird. Die Bordfrau hat das übernommen und die kommenden Tage im Blick. In Strib waren wir schon und sind am Vorabend nur für die Übernachtung noch einmal hier eingelaufen. Allerdings haben wir 'unseren' Liegeplatz derart lieb gewonnen, dass wir ihn für nächstes Jahr als besetzt markieren (natürlich nur für's Foto).

besetzt

Wir ergänzen unsere Vorräte und machen uns also wieder auf den Weg. Zunächst mühen wir uns mit Dieselkraft gegen den Strom der Meerenge rund um Middelfahrt. Im letzten Bogen nehmen wir die Segel hoch und fallen ab gen Süden. Der Skipper äußert Skepsis angesichts einer dunklen Front, die sich von Westen nähert. Als wir das freie Wasser erreichen ist der Wind aus der Front da. Eine X-Yacht in unserer Nähe taucht ihren Baum ins Wasser, so hart wird sie von einer Böe erwischt. Wir luven stärker an und hangeln uns an der Windkante entlang. Gerade soviel Wind soll ins Segel, um vernünftig zu fahren, aber nicht so viel, um zu stark zu krängen. Wieder ist sensible Ruderarbeit gefragt. Trotzdem ist der ein oder andere ordentliche Ruck im Boot nicht zu vermeiden. Die Bordfrau ist davon nicht begeistert - und der Skipper auch nicht. Keine der von uns genutzten Wettervorhersagen hat diese Zelle kommen sehen. Irgendwie finden wir das auch gut so. Wie langweilig wäre das Leben mit vollständiger Vorhersehbarkeit. Vor unseren Augen zieht das unschöne Wetter ab. Von dem enthaltenen Regen, der einige Meilen vor uns erkennbar runtergeht, bekommen wir nichts ab. Der Wind hat uns gereicht.
Wir passieren die Insel Brandsø und geraten in einen Austausch über die Richtigkeit des Umstandes, dass diese Insel in Privatbesitz ist. Wir kommen nicht zu einem Schluss, aber die Zeit vergeht so wie im Flug und wir bemerken das Verringern des Windes und unserer Geschwindigkeit erst, als dies sehr deutlich wird. Noch eine knappe Stunde plätschern wir vor uns hin, dann muss wieder der Motor ran. Nach einer guten halben Stunde Brummfahrt auf einer vollständig glatten Wasseroberfläche steuern wir Aarø an.
Vor zwei Jahren waren wir auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge im Hafen Aarøsund. Dort hat es uns gut gefallen und wir haben mehrfach beschlossen, auch die andere Seite eines Tages zu besuchen. Dieser Tag ist heute. Vor der Hafeneinfahrt entsteht ein Wettrennen auf die Liegeplätze. Eine ebenfalls auf die Einfahrt zusteuernde Yacht beschleunigt erkennbar. Wir lassen uns nicht darauf ein und machen bei mittlerer Marschgeschwindigkeit schon Klarschiff. Tatsächlich kommt die Yacht einige Minuten vor uns an und nimmt den vermeintlich letzten Liegeplatz am Steg ein. Der Hafen ist klein und bietet für Schiffe mit größerem Tiefgang nicht viel Platz. Wir lassen uns von dem Hafenmeister, der mit seine Elektroroller auf der Mole hin und her eilt, einen Anleger an einer größeren Dänischen Yacht unweit der Hafeneinfahrt zuweisen. Dort liegen wir quasi im Päckchen, können aber übers Heck direkt an Land. Angesichts der zu erwartenden flautigen Nacht ist das in Ordnung, lediglich die unmittelbare Nähe der Fähre, die dreiviertelstündlich zum Festland pendelt, wird wohl stören.

Liegeplatz Aaro

So kurz der heutige Schlag war, so aufregend war er angesichts der unerwarteten Bedingungen auch. Zusätzlich steckt uns noch die zehrend lange Fahrt des Vortags in den Knochen. So lassen wir das eigenständige Zubereiten einer Mahlzeit am Abend aus und besuchen die Hafengrillbude. Cheeseburger mit Pommes dürfen es heute sein. Wir hinterlegen eine dänisch-hohe Münzmenge und schlagen uns die Bäuche voll. Nach einer Dusche, einem kurzen Gespräch mit den äußerst freundlichen Dänen, an deren Schiff wir fest sind, über deren Abreisepläne am kommenden Tag und einem Port zum Sonnenuntergang schlagen wir uns in die Koje.

25.6.2023
Während der Bootsmann wie versteinert geschlafen hat, ist die Navigationsoffizierin von den frühen Fahrten der Fähre geweckt worden.

Fähre Aaro

Die allgemeine Unruhe in dem übervollen Hafen hat zusätzlich zu wenig erholsamem Schlaf geführt. Also ruft die Reiseplanerin am späteren Vormittag die Abreise aus. An einen einsamen Ort in der Gennerbucht soll es gehen. Dort würde man voraussichtlich mindestens zwei Nächte bleiben, da am Folgetag mit einer Gewitterfront zu rechnen sei. Der Skipper bestätigt die Planung als seglerisch machbar, und los geht die Fahrt. Vor uns verlässt ein Landsmann den Hafen. Mit einer Posaune schmettert er das Seemannslied "Ick heff mol 'n Hamborger Veermaster sehn", bekommt Applaus und legt dann die deutsche Nationalhymne nach. Weiteren Beifall bekommt er dafür nicht, und unser Nachbar erklärt "We prefer the danish anthem." - wir wundern uns über dieses ziemlich kuriose Erlebnis.
Wir haben ganz seichten Wind und müssen hoch ran. Das macht eine total ruhige Fahrt bei akzeptabler Geschwindigkeit. Unterwegs kommt es zum Äußersten: Die Bordfrau übt, was sie bislang als unmachbar beschrieben hat: Sie schläft während des Segelns - eine gute halbe Stunde zwar nur und auch nicht tief, aber eine ergänzende Erholung zu der ungenügenden Nachtruhe kommt doch dabei heraus.
Als wir uns dem Zielhafen Sønderballe nähern, ist der Skipper geradezu stolz auf die Planungskompetenz der Reiseleiterin. Ein schnuckeliger Ort liegt vor uns und ein kleiner, hyggeliger Hafen mit vielen freien Liegeplätzen.

Hafen Sonderballe

Wir machen so fest, dass der Wind, der in der erwarteten Gewitterfront stecken soll, auf den Bug der Santanita trifft. Es ist 18:00 Uhr, als wir fest und klar sind. Die Sonne brüllt und der Wind ist fast weg. Wir machen einen kurzen Erkundungsgang an Land.
Der Hafen wird von einem Segelverein betrieben, nicht kommerziell von der Kommune. Entsprechend zahlen wir das Hafengeld beim Verein an einem reizenden Vereinsheim, in dem gerade ein paar Mitglieder beisammen sitzen. Der Zahlungsautomat ist defekt, aber man versichert uns, man habe uns ja als zahlungswillig erkannt und das sei dann auch in Ordnung. Die Sanitäranlagen befinden sich in einem Häuschen am Hafen, das ganz offensichtlich ebenfalls durch den Segelverein errichtet wurde. Dies wird erkennbar an der Bauweise, denn es ist innen, genauso wie die meisten Segelboote, aus GFK laminiert und von außen mit Holz beplankt
Nahe des Hafens befindet sich ein Campingplatz mit Höker. Dort werden wir Brötchen bekommen und von dort fährt ebenfalls ein Bus nach Apenrade und Hadersleben, falls wir Erlebnishunger bekommen sollten. Wir essen ein Eis und machen uns auf den Weg zurück zum Boot. Nach den drei Tagen Segelei freuen wir uns geradezu auf das Abwettern und Rumhängen im Hafen.
An dem Blick auf die Bucht können wir uns kaum satt sehen. Abends sichten wir mehrere Schweinswale. Nur ein paar herumknatternde Motorboote stören.

26.6.2023

Der Vormittag beschert uns eine Bruthitze mit höchster Luftfeuchtigkeit, so das wir den Regen als Erlösung geradezu herbeisehnen. Die Gewitterfront kommt wie vorhergesagt. Wir können uns fast minutengenau darauf einstellen. Toll, was mit den zeitgemäßen Wetterbeobachtungen und -prognosen machbar ist. Ziemlich spektakulär kommt die Front über die Bucht.

Regenfront

Schon von Weitem kann man den Regen kommen sehen, und die Böen in der Front bringen unser schwimmendes Heim mächtig in die Schräge. Nach dem Regen folgt der ebenfalls erwartete Westwind und ein Temperatursturz von ca. 8 Grad.

Krängen im Hafen

Den Tag verbringen wir zu großen Teilen unter Deck, weil es draußen wirklich ungemütlich ist. Um nicht vollkommen bewegungslos zu bleiben, machen wir nachmittags einen Spaziergang zum Hafen Kalvø. Auch hier hätten wir festmachen können und hätten ein ganz ähnliches Glück empfunden.

27.6.2023
Über der Bucht bleibt der Starkwind, draußen ist es richtig stürmisch, und wir sind froh über unseren halbwegs geschützten Liegeplatz. Immerhin müssen wir nur das Geschaukel im Hafen aushalten, zu segeln wäre ganz sicher kein Spaß für uns. Also machen wir einen Ausflug mit dem Bus nach Åbenrå. Vielleicht haben wir etwas zu viel erwartet, aber die Stadt heimelt uns nicht ein. Einzig ein Laden, der sich um Musik und Hifi-Technik der 70er und 80er Jahre kümmert, erwärmt unser Herz. Dort gibt es jede Menge Vinyl (zu erstaunlichen Preisen), Plattenspieler und Kassettenrecorder, man wird katapultiert in diese Zeit zurück, Nostalgie und Melancholie vermischen sich. Ansonsten gibt es in der Flaniermeile einen Kaffee und ein Stück Schokoladenkuchen, danach einen Gang durch den Supermarkt, und dann war's das auch für uns.

Teppiche

Überrascht hat uns nur die Busfahrt, genauer die Ticketpreise. Auf der Hinfahrt hat uns der Fahrer 72 Kronen abverlangt. Im Bus zurück sollen wir 54 Kronen bezahlen und bekommen zwei Tickets à 26 Kronen. Das kommt halt dabei heraus, wenn die gesamte Abwicklung irgendwelchen Systemen überlassen wird: Ahnungslosigkeit und Dyskalkulie. Fortschritt hat einen Preis.

Zum ersten Mal seit unserer Abreise erklingt am Abend in unserer Reiseplanung wieder der Name 'Kiel'. Das schürt den Urlaubsende-Blues. Aber zunächst steht für morgen Hørup auf dem Programm. Von dort ist die Heimat dann innerhalb eines Tages erreichbar und diese Zielsetzung ist mit Blick auf die Wettervorhersagen plausibel. Der Sommer scheint eine Pause machen zu wollen.

28.6.2023
Wir verlassen Sønderballe an einem sonnigen Vormittag. Als der Ort über's Heck kleiner wird, rutschen wir durch die Enge zwischen Festland und der Insel Barsø und geraten auf die freiere See. Dort ist feiner Segelwind und wir kommen mit guter Fahrt über die Åbenrå-Bucht. Im Alsfjord kommt der Wind dann derart achterlich, dass das Vorsegel immer wieder im Windschatten des Großsegels einfällt. Wir müssten vor dem Wind kreuzen, aber es mangelt uns an Engagement. Richtig schneller sind die Boote um uns herum auch nicht. Also schippern wir in Ruhe auf die Untiefentonne vor dem Sund zu, an der wir sowieso anluven müssen und wieder vernünftig segeln können. im Sund bekommen wir dann zu sehen, wie verkehrtes Engagement sich darstellen kann. Eine übermotivierte Crew auf einem modernen 38-Füßer muss unbedingt mit Gennaker durch die schmale Rinne. Das Ufer, von dem der Wind einfällt, ist teils bewaldet, teils frei, teils bebaut, und über eine große Brücke führt eine Autobahn. Dass der Wind hier böig und vertrahlt auf die Boote trifft, ist wenig überraschend. Entsprechend fällt der Auftritt der großen Yacht aus. Mal fällt die Blase ein, um kurz danach wieder mit einem Schlag am Mast zu reißen. Der Steuermann versucht durch heftige Lenkamplituden die Dynamik ein bisschen rauszunehmen - mit mäßigem Erfolg. Für andere Boote in der Nähe wird das fast gefährlich. Wir halten Abstand und beobachten das Spektakel kopfschüttelnd.
An der Klappbrücke in Sønderborg sind wir alle wieder zusammen. Die Crew mit dem Gennaker hat nördlich der Brücke festgemacht. Die Art, wie das Großsegel auf dem Baum aufgetucht ist, lässt noch den Stress erkennen, dem die Herrschaften sich ausgesetzt haben. Vermutlich gibt es unter Deck gerade ein Beruhigungsgetränk - oder eine gepflegte Aussprache.

Nach der Passage der Brücke fahren wir wieder mit Achterstagbrise in die Bucht vor Hørup. Beim Bergen des Großsegels treffen uns wie aus dem Nichts ein paar knackige Böen, die dem Skipper die Mütze vom Kopf reißen. Beim Versuch, die blöde Kappe zu bergen, verreißt er das Bergemanöver. Die Kappe bleibt inklusive des Kragenzwickers, der seine Mangelhaftigkeit in diesem Augenblick unter Beweis gestellt hat, ein Opfer der See.
Bei der Suche nach einem Liegeplatz im Hafen patzt der Skipper gleich nochmal, weil das Boot derart vertreibt, dass der Motor einmal richtig hochdrehen muss, um den Kontrollverlust zu vermeiden. Es entsteht keine Gefahr und schon gar kein Schaden, aber die Vorführung war alles andere als souverän und sorgt natürlich für unerwünschte Aufmerksamkeit. Die zweite Anfahrt einer Box klappt dann, und nachdem wir fest sind, gehen die Böen auch wieder runter. Wir waren einfach eine Viertelstunde zu früh.

Da wir am Vormittag relativ spät losgefahren sind, ist die Zeit trotz des nicht allzu langen Schlages schon etwas fortgeschritten. Deshalb wollen wir den Service des Hafens in Anspruch nehmen, die für die Seglerschaft befeuerten Grills zu benutzen. Wir finden jedoch Schilder vor, die ein Grillverbot verkünden. Die Brandgefahr ist angesichts der Trockenheit zu hoch. Dafür haben wir Verständnis. Es wurde allerdings ein Gasgrill angeschafft und der soll als Ersatz dienen. Mit einem fix zubereiteten Salat, etwas Brot, einigem Grillgut und zwei gekühlten Getränken nehmen wir einen Platz bei dem Gasgrill ein. Allerdings tut sich da nichts in Sachen Befeuerung. Zwischenzeitlich ist der Salat bereits verputzt und das Bier auf nahezu nüchternen Magen zeigt Wirkung. Schließlich kapitulieren wir und konsultieren die Hafen-Pølser-und-Fritten-Bude. Auch gut. So sind wir wenigstens ordentlich satt, als wir uns zu einem gemütlichen Abend im Cockpit aufs Boot zurückziehen.

29.6.2023
Der heutige Donnerstag soll eher zugig und auch etwas regnerisch werden, wohingegen der Freitag viel Sonne und guten Wind verspricht. Die weiteren Aussichten auf das Wochenende sind eher nicht so schön. Viel Regen und viel Wind lassen den Entschluss reifen, bereits am Folgetag die Heimreise anzutreten. So haben wir noch einen ganzen Tag in Hørup. Den nutzen wir zu einem ausgiebigen Frühstück (nach dem ernüchternden Grillerlebnis des Abends zuvor) und danach zu einem Einkauf, der uns einige dänische Lieblingsprodukte in den heimischen Kühlschrank bringen soll.
Abends versuchen wir es dann erneut mit der Grillerei. Wir bekommen eine verbindliche Zusage von der Hafenmeisterin, dass der Grill heute angeworfen werden wird. Also packen wir unsere sieben Sachen wieder zusammen und begeben uns zum Ort des vorabendlichen Ausbleibens. Dort nehmen wir den Grill richtig in Augenschein und stellen fest, dass das riesige Gerät ganz offensichtlich noch nie benutzt wurde. Während unserer Inspektion kommt eine mittelgroße Gruppe dänischer Männer in dem Grillhäuschen zusammen. Das ist schon ein bisschen auffällig, aber eine Veranlassung können wir nicht erkennen, und wir haben mit unserer Grillerei genug zu tun.

Grill_Erstnutzung

Es kostet etwas Überwindung, den unbenutzten Rost zu 'verunreinigen', aber irgendeiner muss den Anfang machen.
Unsere Würstchen zischeln zaghaft vor sich hin, da erscheint zu den rund zwanzig Dänen ein einundzwanzigster. Dem wird sofort geholfen, eine riesige Kühlbox neben dem Grill zu platzieren und dann geht's los: Der Grill wird nun richtig eingeweiht. Aus der Kühlbox kommen zwei große Tabletts hervor, auf denen rund zwei Dutzend der größten Koteletts gestapelt sind, die wir je gesehen haben. Fluchs werden alle Zonen des Gasfeuers entzündet und die Tierteile bekommen die Hitze zu spüren. Mit sehr grobem Mehrsalz werden die Stücke noch beworfen - das war's an Grillkunst. Es gibt dänisches Bier und wir hören zufriedene Männergespräche, von denen wir kein Wort verstehen, aber die Stimmung gut wahrnehmen.

Grill_Nutzung

Was für ein Lehrstück an Grillkultur!

30.6.2023
Wie geplant fahren wir an diesem Freitag aus Hørup los gen Heimat. Nicht ehrgeizig früh, aber auch nicht zu spät angesichts der vor uns liegenden gut 30 Meilen, legen wir ab. Der Wind ist bedeutend schwächer als noch vor 36 Stunden vorhergesagt. Wir hatten bereits über ein Reff spekuliert, aber die Bedingungen machen die Verkleinerung der Segelfläche unnötig. Über die Flensburger Förde geht's noch flott, dann aber geraten wir zunehmend in Landabdeckung des ohnehin abnehmenden Windes. Kurz vor Schleimünde ist dann Schluss und der Volvo muss ans Werk. Wir entlasten die Ostseeküste noch von einem Staniolballon, den irgendein Geburtstagsmensch 'verloren' hat.

Birthday

Nach kurzer Maschinenfahrt hat der Wind sich auf eine Ostlage erneuert, und wir können wieder segeln. Der Autopilot wird in den Modus 'Folge dem Wind' gebracht und der Skipper verlagert seine Aufmerksamkeit etwas nach innen. Nach dem Erwachen stellt er fest, dass die Windrichtung sich ein wenig gegen die Befahrensregeln für das Gebiet geändert hat. Die Santanita schnibbelt eine kleine Ecke des Sperrgebiets Schönhagen ab, kann aber dadurch die Höhe halten und steuert direkt Bülk an. Bevor wir die Landspitze erreichen, schläft der Wind wieder ein. Erneut kommt der Motor dran. Noch kurz um den Bülker Leuchtturm herum, dann sehen wir unseren Heimathafen, und verschiedene Gefühle zwischen Freude über das insgesamt herausragend gute Gelingen des gesamten Törns, aber eben auch Trauer über dessen Ende stellen sich ein.

Weil wir uns noch nicht trennen können, verbringen wir den Abend und die Nacht noch auf der Santanita. Wir reden uns gut zu, dass der Sommer ja quasi noch vor uns liegt und noch viele Wochenenden und Tagesausflüge möglich sind.

225_rot

Fin.

PS: Vielleicht bleiben wir sogar noch eine Nacht länger an Bord. Aber für das Logbuch ist das uninteressant....

Bilanz:
- zwei Eierbecher (aus Fynshav - zu verschenken)
- ein Halsmedallion 'Schweinswal' (aus Bagø)
- ein Käppi verloren
- ca. 22 Liter Diesel (CO2-Emission OK für drei Wochen Urlaub, finden wir)

Eierbecher

Endlich wieder im Wasser!

Lange Wochen trennten die Santanita von dem Element, für das sie geschaffen ist - seit dem vergangenen Samstag darf sie wieder darin schwimmen! Das Abslippen verlief bei brauchbarem Wetter in souveräner Art und Weise, der Mast stand bereits zwei Tage vorher. Mit der besten aller Vorschiffsfrauen ging's durch die Schleuse und mit fossiler Kraft nach Schilksee zum Sommerliegeplatz. Gleich am Sonntag wurde das Rigg getrimmt, am Montag das Großsegel angeschlagen und unter Deck einigermaßen aufgeräumt. Der windstille, sonnige Abend war ein großer Genuss und unterstreicht die Vorfreude auf viele schöne Stunden in der startenden Saison.

Winterlager '22/'23

Am 15. Oktober ging die letzte Fahrt ins Winterlager. Wie auch schon im Jahr zuvor darf die Santanita in einer Halle am Anfang des Nord-Ostsee-Kanals die kalte Jahreszeit verbringen. Für die Überführung dorthin mussten wir sehr früh aufstehen, da für die Durchfahrt der Schleusen ein ordentlicher Puffer zu kalkulieren ist.

Die Fahrt in die Morgendämmerung war schön - wenig Wind, moderate Temperatur, kein Seegang. Am Wochenende zuvor waren schon die Segel und der Baum abgeriggt worden und so waren es nachher unter dem Kran nur noch wenige Handgriffe um den Mast zu ziehen. Routinierte Dienstleister erledigten das innerhalb von Minuten - ebenso das Aufpallen des Schiffes auf einen Bock.

Einen Tag stand die Santanita noch draußen und konnte gut geputzt werden, bevor sie auf ein prima Plätzchen in der Ecke der Halle verbracht wurde. Dort beginnt jetzt die Winterarbeit. im Verlauf der Saison ist eine Liste entstanden mit Dingen, die verändert, verbessert oder ersetzt werden sollen, außerdem stehen natürlich die üblichen Tätigkeiten an, Polieren, Antifouling-Streichen, usw....

Wir finden, dass unsere Santanita selbst aufgebockt eine schnittige Figur abgibt!

im Winterlager

25.6.2022 - Sommertörn

25.6.2022 - Tag 1

Die letzten beiden Tage vor diesem sehnlich erwarteten Termin waren anstrengend: Die Kieler Woche haben wir weitestgehend links liegen lassen (das Programm ist ohnehin nicht überwältigend attraktiv, wir sind offensichtlich der Zielgruppe entwachsen), aber zwei Veranstaltungen in Hamburg und Timmendorfer Strand wollten besucht werden: Am Donnerstag fand das lang aufgeschobene Zucchero-Konzert statt und am Freitag wurde spät die Dance-Night der JazzBaltica mit den Dirty Loops gefeiert. Dennoch haben wir es fertig gebracht, die Wohnung für unsere Rückkehr in einen vernünftigen Zustand zu versetzen und die Santanita mit Urlaubsutensil zu bepacken. Nach fünf Stunden Schlaf hält es uns nicht mehr - es geht endlich los. Noch ein klitzekleiner Einkauf und dann die Busfahrt nach Schilksee - dann werden wir, natürlich begleitet von der Windjammerparade, den Heimathafen verlassen!

Schild grün

Im Kielwasser der Goch Fock und vieler anderer Großsegler, die die Windjammerparade der Kieler Woche formiert haben, laufen wir aus der Kieler Förde.

Windjammerparade

Das Wetter meint es gut mit uns. Ein kleiner Holeschlag lässt uns Bülk passieren und wir legen Kurs Nordwest auf das Sperrgebiet Schönhagen. Eine Freundin der Bordfrau sei eventuell in Damp zur Reha und bis zur Klärung dieser Situation planen wir kein Ziel. Erst als von dort eine Absage kommt, entscheiden wir uns für Hoerup - da sind wir gerne, und ein relativ umfangreicher Einkauf von Proviant steht auch noch aus. Die Sonne glüht und der schwache Nordost hat kaum Welle aufgebaut - schöne Segelei.
Mehrfach sichten wir auf dem glatten Wasser Schweinswale, allerdings nie in einer Gruppe. Wir wissen nichts von den Gewohnheiten der kleinen Säuger, vermuten aber, dass sie typisch in Familien leben. Somit beschleicht uns die Sorge, das trotz der häufigen Sichtungen die Bedingungen für die Tiere eher schwer sind. Gerade einige Tage zuvor hat eine TV-Doku von dem Zustand der Dorschbestände in der Ostsee berichtet: Es gibt fast keinen Dorsch mehr. Wir verdrängen die traurigen Gedanken....

Schweinswalflagge

Der Wetterbericht ist unser ständiger Begleiter. Über dem Festland soll eine Zelle mit starkem Regen entstehen, die im Verlauf gen Norden zieht. Da wollen wir eigentlich hin. Also ändern wir den Plan und halten uns ein wenig östlich - neues Ziel: Mommark. Dort können wir zwar voraussichtlich nicht einkaufen, aber zwecks Vermeidung von Dreckswetter verzichten wir darauf gerne.

Regenzelle

Wenig später schläft der Wind vollständig ein - der Diesel muss es leisten. Gute 90 Minuten später erreichen wir bei totaler Windstille den kleinen Hafen Mommark, den wir noch nicht kennen. Alle Plätze sind belegt, einige Päckchen haben sich schon gebildet. Ein Folkebootsegler bietet uns seinen Platz an, mit der Option, dann längsseits bei uns anzulegen. Wir freuen uns über diese Sportkameradschaft, lehnen aber dankend ab und gehen selbst ins Päckchen an einem großen, unbewohnten Motorboot - auch gut.

Hafen Asses

Obwohl es bereits nach 21:00 Uhr ist, hat der Hafenkiosk noch geöffnet. Wir bezahlen das Hafengeld, bekommen jeweils noch zwei HotDogs (echt lecker!) und können sogar Brötchen bestellen! Wir sitzen am Wasserrand, beobachten eine dänische Hochzeitsgesellschaft, lassen die Sonne untergehen und ziehen uns später auf unser schwimmendes Reich zurück.

Einfahrt_Sundown

Was für ein toller erster Tag: Schöne Segelei ohne Aufwand, schon die Gastlandsflagge oben, Sonne satt - das lässt die Anstrengungen der vergangenen Tage und Wochen sofort vergessen und Aussicht auf herrliche drei Wochen keimen! Wie versteinert schlafen wir ein.

 

26.6.2022 - Tag 2

Der Skipper und Autor dieser Zeilen zweifelt an seinem Vorhaben, den gesamten Urlaub zu bloggen. Die Sitzungen an der Konsole verfehlen den Abstand zum Alltag, trotzdem macht es Spaß, und es gab auch erstaunlich viele positive Rückmeldungen auf den Reisebericht 2021. Naja. Mal sehen, wie gut er durchhält!?
Die Morgensonne weckt uns. Der Hafen ist noch absolut ruhig, bevor auch auf anderen Booten das Leben erwacht. Am Vorabend hat der Skpper einer X-Jacht die gesamten Hafenlieger über sein Vorhaben informiert, "noch einen Jackie" zu trinken - und noch einen - und noch einen. Der letzte "Jackie" hat ihn dann endlich auch nach hinten kippen lassen, auf jeden Fall war irgendwann Ruhe. Umgekehrt geht ausgerechnet von diesem Schiff am Morgen kein Muks aus - Jackie's Rache.
Das Brötchenholen misslingt. Unter den bereitgestellten, mit Bootsnamen beschrifteten Tüten, fehlt die Santanita-Tüte. Karsten, der nicht der Hafenmeister sein will, sich aber um alles kümmert (bis zur Flaggenparade mit Hornruf am Abend zuvor) klärt auf: "Immer die gleiche Seiße, da hat wieder irgendeine Seiße gebaut!". Seine gute Laune ist ansteckend. Er besteht darauf, das Geld zurückzugeben, gibt uns aber trotzdem ein paar Brötchen von gestern mit. Klasse, unser Frühstück im Cockpit kann stattfinden! Die Brötchen sind typisch dänisch weich und sogar aus irgendeinem Grund bereits aufgeschnitten. Positiv: Das reduziert die Krümelei!
Das Wetter ist wie am Vortag schwachwindig und sonnig. Wir laufen aus, mit unbestimmtem Ziel. Als Punkt der weiteren Planung wählen wir einen Ort vor der Durchfahrt zwischen Bagö und Arö, zwei Inseln inmitten des kleinen Belts. Im ersten Teil der Fahrt haben wir den Wind direkt von hinten und segeln entgegen der Konstruktionsidee unseres Bootes mit Butterflykonfiguration. So erreichen wir gut fünf Knoten. Die Vorhersage zeigt eine massive Veränderung der Windrichtung gegen 14:00 Uhr an. Dann soll der Wind von Süd-Südost auf West drehen und ordentlich zunehmen. Bis dahin lohnt es sich kaum, den Genacker zu setzen - vielleicht sind wir auch einfach ein bisschen faul. Es läuft ja! Wir strecken die Füße aus dem offenen Heck ins Wasser und relaxen während der ruhigen Fahrt - so geht Urlaub!

Füße im Kielwasser

Unglaublich präzise vollzieht sich die Ankündigung. Wir erwischen den perfekten Moment für die Halse und nehmen mit dem zunehmenden Wind Fahrt auf. Bis zu zwanzig Knoten Wind werden wir messen, etwas mehr als für die Bordfrau entspannt erträglich. Der Skipper freut sich über die Fahrt über acht Knoten (das GPS verkündet einmal sogar 10,8 Knoten, wahrscheinlich ein günstiger Rundungsfehler!). Das Kielwasser sprudelt wild und die Santanita hebt ihr Luvruder aus dem Wasser. Den besagten Punkt der Entscheidung erreichen wir so sehr schnell. Dort müssten wir hoch an den Wind, wenn wir weiter gen Norden wollten oder können abfallen, wenn wir es für diesen Tag genug sein lassen wollen und in Assens halt machen wollen. Wir entscheiden uns für die seichtere Variante. Unser Urlaub soll kein Segelstress werden und die Signale der Bordfrau waren eindeutig. Also laufen wir den Hafen an, der nicht als romantischster Ort in der dänischen Südsee gilt. Für uns soll's in Ordnung sein. Wir können hier den ausgelassenen Einkauf nachholen und das für den folgenden Tag prognostizierte Regenwetter aussitzen.
Assens präsentiert sich gnädiger als befürchtet. Auf der Werft an der Hafeneinfahrt ist Ruhe, denn es ist Sonntag. Im Hafen ist es gut geschützt und es gibt eine Menge freier Liegeplätze. Wir machen fest neben einem Paar mit einem älteren Segler, die sich direkt als "Profis" vorstellen, während sie unsere Leinen annehmen. Manchmal könnte man auf Hilfe verzichten, denkt die Bordfrau....
Am Abend holen wir nach, was seit fast einem Jahr aufgeschoben wurde: Im August '21 bekam der Skipper einen dieser hochmodernen, runden Grills geschenkt, die innerhalb weniger Minuten einsatzbereit sind und außen nicht heiß werden.Theoretisch könnte man damit an Bord grillen - das tun wir aber nicht. Der Grillplatz ist schön gelegen zwischen Hafen und Strand. Dort wird der Grill eingeweiht. Wieder eilt ein Paar vom Nachbartisch zur Hilfe, als das Anzünden nicht auf Anhieb glückt. Wir tauschen uns ein wenig aus über die Vor- und Nachteile dieses Grills, über unsere weitere Vorhaben bezüglich der Reise und über die Segelei insgesamt. Seemannsgarn?


27.6.2022 - Tag 3

An diesem Morgen weckt uns der Regen. Sofort sind wir zufrieden: Alles richtig gemacht, inklusive der Vorbereitung auf dieses Wetter: Alle Schotten und Luken sind dicht, die Handtücher am gestrigen Abend noch von der Reling in die Kajüte geholt worden. Wir können uns einfach in der Koje umdrehen und die Gemütlichkeit des an Deck prasselnden Regens genießen. Erst der Appetit treibt uns raus. Eine Regenpause nutzen wir für einen Ausflug in den Ort, frühstücken dort und ergänzen endlich den fehlenden Proviant.
Nach der Rückkehr berichtet der "Profi"-Nachbar von einem Defekt an seiner Frischwasseranlage, für die er nun nach einem Ersatzteil fahndet. Er habe sich bewusst für die Beibehaltung der manuellen Pumpe entschieden. Das ganze elektrische Zeugs führe nur in die Abhängigkeit. Der Santanita-Skipper entgegnet, dass moderne Ausstattung auch den Komfort steigere; dass die eigene Frischwasseranlage funktioniert - im Gegensatz zu der vermeintlich bewährteren Installation, denkt er sich nur.
Den ganzen Tag regnet es - mit kurzen Pausen. Unter Deck staut die Bordfrau Klamotten und Proviant an geeignete Orte, während der Skipper diesen Bericht verfasst.

Bei der Durchsicht unserer Ausrüstung kommt es zu einer erschreckenden Erkenntnis - es scheint ein Fluch über uns zu liegen, der zeitgleich auch das wirtschaftspolitische Geschehen widerspiegelt: Schon während des letztem Sommersegelurlaubs litten wir unter Gasmangel! Kurz rekapituliert: Während des 3-Wochen-Törns 2021 war die aktuell angeschlossene Gasflasche leer und die Ersatzflasche war ebenfalls leer! Dieses Jahr ist die Situation nur in Nuancen anders: Die aktuell angeschlossene Flasche ist nicht leer, aber in unbekanntem Füllzustand und die Ersatzflasche ist NICHT DA!! Der Skipper ist sich absolut sicher, nach der Rückkehr 2021 zwei neue Flaschen angeschafft zu haben. Aber wo ist die zweite? Alle Überlegung hilft nichts - sie ist nicht da, wo wir sie uns wünschen würden.
Im Hafen gibt es einen Bootsausrüster und nebenan einen Campingplatz. Wir schöpfen Hoffnung für den kommenden Tag....


28.6.2022 - Tag 4

Der Regen ist durch. Unsere Gemütssituation ist unbetroffen von dem lichtarmen Tag. Schlimmer wiegt die Lage um den Kocher. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, eine passende Gasflasche zu bekommen, geben wir auf - zumindest für diesen Tag. Die Strategie heißt: HotDog, Pizza, Räucherfisch, Ernährung vom Dienstleister, wann immer möglich. Oder Grillen. So wollen wir Gas sparen für die Tage, denen wir entgegen sehnen: Ankerbucht, einsamer Hafen an der einsamen Insel.... 
Um diese Sehnsuchtsziele zu erreichen, müssen wir zunächst aus Assens weg. Zwar ist der Hafen seinem Ruf glücklicherweise nicht gerecht geworden, aber wir weinen auch nicht zum Abschied.
Der schwach angesagte Nordost verleitet uns dazu, kurz nach der Hafenausfahrt den Genacker zu setzen. Leider werden wir durch die Küstenlinie und die Berufsschifffahrt auf einen zu spitzen Kurs gezwungen und der Wind ist doch stärker als angenommen, so beenden wir das Experiment Gleitfahrt kurz darauf wieder. Immerhin waren wir kurzzeitig ziemlich fix unterwegs und sowohl das Setzen als auch das Bergen des großen Segels haben gut geklappt. Zwei währenddessen eingeholte Segler, eine holländische, moderne 39-Fuß Yacht und eine X-332 'matchen' sich mit uns im nun wieder abnehmenden Wind. Zeitweise schläft er ganz ein, so dass wir mit dem Holländer sogar ein paar Worte wechseln können. Hinter einer Landspitze können wir abfallen und den Turbo erneut aktivieren. Das tut auch der Holländer. Erstaunlicherweise füllt sich sein pinkfarbener Genacker 80 Meter links von uns etwa zwei Minuten früher - das Windfeld hat ihn einfach zuerst erreicht - und er nimmt uns bestimmt 500 Meter ab. Dann aber nimmt auch die Santanita rasche Fahrt auf und der Abstand bleibt ziemlich konstant. An der Einfahrt in das Geschlängel südlich von Middelfart birgt 'der Gegner' das farbige Segel und wir schließen wieder auf. Als wir am gleichen Ort auch unseren Genacker bergen, sind wir einige Zeit mit dem Manöver beschäftigt und der Holländer ist um irgendeine Ecke entschwunden und wir haben ihn aus den Augen verloren.
Heftiger Gegenstrom und schwacher Wind machen in den Kurven vor Middelfart den Einsatz der Maschine unumgänglich. Trotz des Störgeräusches sichten wir in der Meerenge einige Schweinswale - immer wieder schön. Der Skipper muss sich arg disziplinieren, um nicht erneut viele, viele Fotos von der wunderschönen Uferlandschaft und den Brücken zu machen. Er lächelt ein bisschen nach innen, als dieses Mal die Bordfrau dieser Verlockung nachkommt.

Brücken

Auf der Suche nach Ruhe passieren wir die Häfen von Middelfart und laufen in Strib ein. Hier waren wir vor einigen Jahren schon einmal und haben eine erfreulich gute Pizzeria entdeckt. Das passt prima gut zu unserem Gas-Desaster und der daraus entwickelten Vorgehensweise!
Der Hafen ist weitestgehend voll. Für unsere Santanita gibt es nur ein Plätzchen: Mittendrin, am Kopf eines verkürzten Steges, machen wir längsseits fest. Unsere Schöne dominiert das Hafenbild.

Hafendominanz

Die Pizzeria ist schnell wieder gefunden und erfüllt unsere Erwartungen. Es handelt sich eher um die Manufaktur eines Lieferservices, aber es gibt auch fünf Tische dort. Auf unsere Frage bekommen wir die Erlaubnis, hinter dem Haus an einem Gartentisch im Schatten sitzen zu dürfen. Offensichtlich sind wir im privaten Garten der Betreiber(-familie?) eingefallen. Die Pizza wird dort liebevoll mit der Hand zubereitet und ist wirklich klasse. In dem Garten blühen wunderschöne Blumen und die Bordfrau ist beeindruckt. Nach dem Essen erscheint aus der Hintertür der Küche ein freundlicher Mann und begutachtet seine Pflanzen. Schnell entsteht eine gemeinsame Schwärmerei über die Schönheit der Blüten, wobei die sprachliche Schnittmenge zwischen dem Dänen mit italienischen Wurzeln, der es englisch versucht, und uns, die wir außer Deutsch und Englisch leider gar nichts auf der Zunge haben, auf einer Metaebene stattfindet - Gesten, Lächeln, Augenzwinkern, Strahlen - Sympathie und Leidenschaft geht auch ohne Worte! Wir freuen uns über dieses zufällige Treffen und bedanken uns herzlich für den Zugang in die Privatsphäre. 

Lilie

Von unserem Premiumliegeplatz haben wir ganz zufällig auch noch den perfekten Blick auf den Sonnenuntergang, den wir mit einem Abendgetränk genießen - schön!

Sundown Strib


29.6.2022 - Tag 5
Der Hafen von Strib ist sehr ruhig. An irgendeiner Störung liegt es also nicht, dass wir früh aufwachen. Eher ist es der Wunsch, vor dem für den frühen Nachmittag zu erwartenden Regen im nächsten Hafen angekommen zu sein. Also fix ein Brötchen im Stehen und Leinen los. Später werden wir erkennen, dass diese Eile unangebracht war, denn der Regen bleibt aus - im Gegenteil: Wir erleben einen prima Segeltag. Dem etwas stärker aufkommenden Wind, gegen den wir kreuzen müssen, begegnen wir mit einem Reff im Großsegel, so dass die Fahrt absolut unangestrengt verläuft. Am frühen Nachmittag laufen wir in Juelsminde ein. Der Osthafen liegt völlig ungeschützt im inzwischen knackigen Nordost, aber es findet sich ein Liegeplatz im alten Hafen. Dort ist viel Betrieb - zu viel, um zur Ruhe zu kommen. Alle halbe Stunde kommt ein offener LKW mit einer Partyhorde auf der Ladefläche und ohrenbetäubender Beschallung durch den Hafen gefahren. Wir beschließen ohne zu zögern, dass wir am nächsten Tag weiter wollen - Ruhe ist das Ziel. Im Hafen gibt es mehrere Restaurants, ein Fischgeschäft und einen Eisladen. Letzterer ist offensichtlich ein gern aufgesuchtes Ausflugsziel für Motorradgruppen. Immer im halben Dutzend erscheinen Biker, die ihre Chromboliden in der Reihe zur Schau stellen, um eine Viertelstunde später mit gleichem Getöse wieder aufzubrechen.
Wir starten einen Spaziergang durch den Ort Der kleine Yachtausrüster hat tatsächlich eine passende Gasflasche - leider leer. Das Fischgeschäft suggeriert den Verkauf regionaler Waren. Ostsee-Thunfisch? Trotzdem kaufen wir ein Stück Räucherlachs und später etwas Salat und ein Brot im Supermarkt - zusammen als Abendessen im sonnigen Cockpit angerichtet, haben wir eine leckere Sättigung und sparen Gas.

 

30.6.2022 - Tag 6

Der Skipper wird deutlich vor sechs Uhr von einer Überraschungsaktion der Bordfrau geweckt: Sie will ein morgendliches Ostseebad nehmen. So kommt es, dass wir um halb sieben in das kühle Nass steigen und natürlich augenblicklich hellwach sind - deutlich bevor Juelsminde in den Entertainmentmodus wechseln kann. Noch in der Ruhe der frühen Stunde haben wir geduscht und als das allgemeine Leben beginnt, machen wir das Schiff schon klar zum Auslaufen. Ein leichter Wind weht - natürlich genau aus der Richtung, in die wir wollen, aber unser Ziel ist nicht weit: Wir steuern nach Endelave, eine kleine Insel südlich von Samsoe. Dort, so hoffen wir, muss die Ruhe zu finden sein.
Auf der Fahrt machen wir eine seltene Begegnung mit einem Seehund. Neugierig steckt er den Kopf aus dem Wasser und begutachtet uns mit seinen kugelrunden Augen. Als er genug gesehen hat, verschwindet er wieder in sein Reich unter der Oberfläche.
Als wir gegen ein Uhr in den Hafen fahren, finden wir auf den ca. 50 Liegeplätzen nur rund zehn Boote vor, später werden es nur wenige mehr sein.

leerer Hafen Endelave

In der vorgelagerten Bucht liegen noch zwei Schiffe vor Anker.

Sundown Endelave

Aus der Heimat werden wir mit dem AIS verfolgt. Ein befreundeter Skipper freut sich über unseren Aufenthalt auf Endelave. Er informiert uns darüber, dass der Hafen hier das schönste Klohäuschen von ganz Dänemark haben solle. Den Eindruck teilen wir nicht, wenngleich die Geschmäcker diesbezüglich natürlich sehr verschieden sein können, die Vielzahl der Parameter nahezu unüberschaubar ist und wir keinen vollständigen Vergleich haben. Erlaubt ist jedoch der Widerspruchsbeweis: Wir bevorzugen nach ausführlicher Diskussion das Häuschen in der Dyvig. Trotzdem ist das hiesige Örtchen weit vorne....

Klohäuschen

 

1.7.2022 - Tag 7

Schon eine Woche vergangen? Oder erst? Auf jeden Fall ist sie Geschichte. Apropos Geschichte: Diverse Daheimgebliebene verlangen ein Update unseres Reiseberichtes....
Der Tag präsentiert sich grau. Wir sind damit nicht unzufrieden, denn die vielen Sonnenstunden des Vortages haben uns ziemlich ausgelaugt. Etwas Pause davon kommt gerade recht. Am Nachmittag soll es regnen - Zeit, den Bericht zu aktualisieren. Zunächst aber erkunden wir die Insel vormittags mit einem kleinen Rundgang. Diese Abgeschiedenheit haben wir gesucht. Es vergeht eine geraume Zeit, bis wir überhaupt andere Menschen sehen. Die Flächen sind zwar bewirtschaftet, aber es gibt große wilde Wiesen und eine belassene Küstenlinie.

Küste Endelave

Der kleine Ort hinter dem Hafen hat eine Kirche und einen Höker, das war's. Auf der Insel leben 154 Menschen. Sicherlich kennen die sich alle untereinander.
Bewohnt wird die Insel auch von einer Unzahl von Kaninchen. Wir sehen nur eine Handvoll, aber die meisten sind zu flink für Skipper's Fotoapparat, nur eines entwischt der Linse nicht. Scheinbar sind auch andere Tiere hier heimisch.

Kaninchen

Als der Regen kommt, ziehen wir uns unter Deck zurück. Bei einem Gläschen erörtern wir die Reiseoptionen für den nächsten Tag. Bei einem weiteren Gläschen beschließen wir, an diesem Abend nichts mehr zu beschließen. Ein letztes Gläschen besiegelt diesen Beschluss - ab in die Koje.

 

2.7.2022 - Tag 8

Ein kräftiger Westwind hat die Nacht etwas unruhig verlaufen lassen. Zwar haben wir das Boot am gestrigen Nachmittag noch im Liegeplatz gedreht, so dass die Santanita den Wind auf die Nase bekommt und wir im Cockpit geschützt sitzen, aber die Vorleinen haben mit jeder Böe arg auf den Klampen geknartscht, und die Bordfrau hat dadurch nicht in den Schlaf gefunden. Skipper's Träume wurden nicht gestört, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen der ausreichenden Beschlussgläschen.
Aber der Wind, der am Morgen nicht nachlässt, hat natürlich auch noch eine zweite Konsequenz: Wir verlassen den Hafen heute nicht, haben einfach keine Lust auf Rock'n Roll auf dem Wasser. Und Endelave ist schön. Also machen wir einen weiteren Spaziergang, finden den Campingplatz, besser das Campingplätzchen: Eine Wiese, so groß wie ein halbes Fußballfeld, und nicht ein einziges Zelt steht da. Aber der Rasen ist frisch gemäht und die Saison ist vorbereitet - wir sind ja ziemlich früh im Jahr unterwegs. Auch das Café am Heilkräutergarten, das wir gestern besucht haben, war erst einen Tag geöffnet, und bei der Zubereitung unserer Getränke gab es merklich Anlaufschwierigkeiten, die aber sympathisch weggelächelt wurden.

verträumtes Häuschen

Auf unserem Ausflug schauen wir in eine dieser Holzbuden, die einige Erzeuger von Obst und Gemüse am Weg aufgestellt haben. In dieser Bude sollte es Kartoffeln, Zwiebeln und Salat geben, aber just der Salat war bereits abverkauft. Der Inselbewohner bemerkte uns und erntete uns einen riesigen Kopfsalat, den wir uns am Abend schmecken lassen sollten.
An diesem Samstag wird der Hafen deutlich gefüllt. Wir haben beiderseits Nachbarn, und nur noch wenige Plätze sind frei. Trotzdem bleibt diese ruhige Stimmung, die uns echte Entspannung verschafft.
Erst am Abend hört der Wind auf zu heulen - endlich. Zeitgleich geht auch schon die Sonne unter - mit einem tollen Lichterspiel, das viele Hafengäste auf den Badesteg lockt, um massenhaft Fotos zu machen. Während die Bordfrau versucht Schlaf nachzuholen, sitzt der Skipper noch in der Plicht, verfasst diese Zeilen und verliert sich in Gedanken und Träumerei vom ewigen Reisen auf der See....

Lichterspiel

3.7. - Tag 9

Heute soll es weiter gehen. Die Wetteraussichten prognostizieren für den Vormittag Regen, danach einen moderaten Ostwind, den wir nutzen wollen. Und tatsächlich regnet es tüchtig bis 11 Uhr. Den Aufbruch planen nicht nur wir. Viele dänische Hafengäste waren über das Wochenende hergekommen, vermutlich aus Aarhus, Horsens oder anderen größeren Städten, um hier Ruhe zu schöpfen - die Stege waren dadurch relativ dicht belegt
Wir machen nach dem Frühstück ein Ergänzungsnickerchen und laufen dann gegen 11 Uhr aus. Wir nehmen noch etwas von dem abklingenden Regen mit, können dann aber das leichte Ölzeug ablegen und die Sonne kommt raus. Der Seehund, der uns bei Anlaufen von Endelave begrüßt hat, verabschiedet uns wieder. Mit der sanften Brise laufen wir durch die Rinne zunächst gen Norden, um dann auf Westkurs gemächlich gen Jütland zu fahren.
In der Einfahrt zum Horsensfjord gibt es die kleine Insel Hjarnö. An der engsten Stelle zum Festland liegen beiderseits kleine Häfen, die mit einer Fähre verbunden sind. Wir entscheiden uns für den Hafen auf dem Festland, weil der Inselhafen laut Beschreibung nur bei ruhigem Wetter komfortabel sein soll. Genau das wird aber nicht vorhergesagt - im Gegenteil. Wir stellen uns darauf ein, am kommenden Liegeplatz eine West-Starkwindphase von einigen Tagen abzuwettern.
Der gewählte Hafen ist klein. Der erste angesteuerte Liegeplatz ist nur für 24 Stunden frei, daher verlassen wir ihn gleich wieder. Das nächste Anlegemanöver längsseits am 'Cafésteg' versemmelt der Skipper und wir touchieren ungewollt den Holzsteg - nicht schlimm, aber eigentlich sind wir lieber Konsumenten von Hafenkino als Darsteller. Nachdem wir fest sind, sehen wir erst den idealen Platz. Ein kompliziertes Manöver mit vielen langen Seilen dreht das Boot im Hafen um und lässt uns schließlich in der Wunschbox ankommen.
Snaptun ist ein kleiner Fischer- und Fährhafen. Das Becken für Sportboote ist noch relativ neu, ebenso das Clubhaus des örtlichen Segelclubs.
In diesem Vereinshaus ist ein kleiner Kiosk, der von einer asiatischen Familie betrieben wird. Aus dem Angebot wählen wir die Pommes-Variante - endlich! Die dänischen Pommes sind uns seit einem Schlüsselerlebnis in Soby als die besten Pommes der Welt in Erinnerung. Der Skipper konnte es also kaum erwarten, an die knusprigen Stäbchen zu kommen.
Nach dem Essen überkommt uns schnell eine gesunde Müdigkeit. Wir sparen uns weitere Erkundungen für die kommenden Tage auf, denn absehbar werden wir uns hier einwehen lassen.

 

4.7. - Tag 10

Das Wetter gestaltet sich wie vorhergesagt. Ein böiger, kräftiger Nordwest hat sich etabliert. Wir sind sehr froh über unseren guten Liegeplatz und erforschen unsere Umgebung. Zwei Fähren haben hier ihr Terminal: Die kleine Fähre über den Horsensfjord nach Hjarnö und das etwas größere Schiff, das wir kennen, das nach Endelave fährt. Den Motor der kleinen Fähre erkennen wir bald, denn sie fährt immer hin und her, ungefähr 35 Mal am Tag. Sie stört uns nicht. Die große Fähre produziert erheblich mehr Unruhe, dafür fährt sie nur dreimal am Tag.

Hjarnö-Fähre

Der Hafen habe einen Minishop, hieß es im Hafenhandbuch. Nach einigen Suchen finden wir ihn - in Form eines Regals und eines Kühlschrankes in dem Imbiss, gefüllt mit allerlei Nascherei, Grundnahrungsmittel gibt es keine. Auch auf die Frage nach Brot oder Brötchen zum Frühstück bekommen wir keine positive Auskunft. Der nächste Supermarkt sei 5 Kilometer entfernt, erfahren wir.

Minishop.

Das Vereinshaus ist eine Perle. Im Obergeschoss gibt es eine vollständige Küche, die von den Hafengästen genutzt werden kann. Alles ist modern und geschmackvoll eingerichtet. Zum Hafen hin gibt es eine Terasse, die einen hübschen Ausblick über die Liegeplätze, den Horsensfjord und die vorgelagerte Insel gibt. Hier kann man sich gepflegt niederlassen.

Balkonausblick

Der Verein bietet ein paar Fahrräder an, die kostenfrei genutzt werden können. Wir benutzen dennoch den Bus, um in das 5 Kilometer entfernte Glud zu fahren, um dort durch einen umfangreicheren Einkauf unseren Proviant zu ergänzen. Die Schlepperei wollen wir uns nicht auf dem Rad antun.
Der Tag vergeht erstaunlich schnell. Kaum sind wir mit dem Bus zurück und die Dinge sind verstaut, da meldet sich das Hüngerchen und die Gemeinschaftsküche wird genutzt. Wir lernen dort eine charmante, ältere Seglerin kennen, die Mitglied im Snaptun Sejlklub ist und die uns die Nutzung aller möglichen Utensilien geradezu aufdrängt. Wir wundern uns, wie unterschiedlich Gastfreundschaft ausgeprägt sein kann. Wir fühlen uns sehr willkommen.
Am Liegeplatz hören wir die ganze Zeit ein Geräusch wie ein Schluchzen oder Heulen. Es dauert einige Zeit, bis wir die geringe Bewegung der Ringe am Steg, durch die unsere Vorleinen gezogen sind, für diese klagenden Laute verantwortlich ausgemacht haben. Gegen die Geräuschbildung unternehmen wir nichts, ist die Ursache doch nun geklärt. Vorn am Steg beobachten wir eine Truppe Chartergäste eines historischen Großseglers, die wichtig von der Vernahme von Lauten von Robben sprechen und erfolglos nach den Tieren Ausschau halten. Wir haben die Ringe zwischenzeitlich "Wimmerringe" getauft und amüsieren uns.

Wimmerring

5.7. - Tag 11

Es sind Details, die diesen Ort schnell liebenswert für uns erscheinen lassen: Das vermeintliche Oberhaupt der asiatischen Familie, die den Hafenkiosk betreibt, ist vom Segelverein offensichtlich auch zum Hafenmeister ernannt worden. Allabendlich geht der kleine, hagere Mann den Hafen ab, nimmt den Danebrog vom Mast und inspiziert die Liegeplätze. Wie zum Zeichen seiner Amtswürde trägt er hierbei eine Dienstkappe, die er vermutlich von seinem 1,90 Meter großen Vorgänger geerbt hat. Das sieht schon putzig aus....
Der Tag verläuft wettermäßig wie der Tag vorher: Stark windig, wechselnd sonnig und dicht bewölkt, mit gelegentlichen Schauern. Zum Segeln ist das nichts (zumindest nichts für uns), aber einen Ausflug auf die kleine Insel wollen wir auf jeden Fall machen. Die Fährüberfahrt dauert nur wenige Minuten, schon sind wir drüben.

Fähre onboard

Ein paar Schritte neben dem Hafen steht Dänemark's zweitkleinste Kirche.

Hjarnö-Kirke

Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang an der Küste entlang und finden auch die Steinschiffe, die wohl ein Grab eines oder mehrerer Nordmenschen darstellen.

Steinschiffe

Viel eindrucksvoller ist die Rauheit der Natur, die Kargheit der Landschaft.

schroffe Landschaft

Beim Einsetzen eines Regenschauers suchen wir Schutz in einer Baumgruppe, um festzustellen, dass in dieser Baumgruppe ein liebevoll gepflegtes kleines Anwesen steht, mit einer Sitzbank unter einem Balkon. Wir nehmen diese Einladung dankbar an und verweilen, bis der Himmel wieder aufgeklart ist.

Loch im Gebüsch

Zufluchtsbank

Rund um den Fähranleger stehen ein paar Häuschen, vor einem ein Zeltpavillion, darin ein Zapfhahn. Wie durch eine Wünschelrute geführt, hat der Skipper das 'Bryghuset' gefunden.

Brauhaus

Eine Brauerei?  Genau ermitteln konnten wir das nicht, aber eine Flasche Hjarno-Porter-Öl haben wir mitgenommen. Außergewöhnlich lecker ist das Gebräu, also lecker und außergewöhnlich. Und einen außergewöhnlich hohen geistigen Anteil hat es auch. Außerdem bringen wir von der Insel auch ein paar Erbsenschoten mit, deren süßen Inhalt man einfach so wegnaschen kann.

Errungenschaften

Wir haben schöne Eindrücke gesammelt. Die Welt scheint hier wirklich in Ordnung zu sein.

Feldhase

6.7. - Tag 12
Der Wind bleibt. Schade einerseits, weil wir segeln und andere Ziele erkunden wollen, andererseits ist die Situation so wunderbar, dass uns der Zwangsaufenthalt nicht schmerzt.
Heute machen wir einen Busausflug ins ca. 15 Kilometer entfernte Horsens. Die Stadt hat ein kleines Zentrum mit Läden, Restaurants und Cafés, aber wir sind nicht in Shopping-Laune. Also erledigen wir unsere Einkäufe, auch Dinge, die in kleinen, grundversorgenden Supermärkten nicht zu haben sind, können wir hier bekommen, zum Beispiel diese Grill-'Stones' für den neuen HighTech-Grill, den wir weiter ausprobieren wollen.
Die Bordfrau wird von einem Ohrenschmerz geplagt, vermutlich hat sie zu viel im Wind gesessen. Die Tage waren ungemütlich, auch die Temperaturen waren nicht besonders hoch. Selbst der Skipper hat lange Hosen anziehen müssen.
Neben dem Stadtzentrum hat Horsens auch eine relativ große Marina. Darum herum entsteht eine große Siedlung, bestehend aus zeitgemäßer Architektur und künstlich angelegten Wasserwegen, ähnlich wie wir das im vergangenen Jahr in Aarhus vorgefunden haben. Schade, dass da keine eigenen Ideen umgesetzt werden. Auch Städtebau unterliegt offensichtlich Trends, denen dann alle Städte folgen. Aber immerhin entsteht Neues und die Baracken des einstigen Industriehafens weichen Wohnanlagen für die Menschen.

Horsens Hafencity

7.7. - Tag 13
Heute könnte eine Chance für die Weiterfahrt aus der Windvorhersage entstehen. Er soll etwas abnehmen und nach Nordwest drehen. Das wäre ein Halbwindkurs zurück in den Kleinen Belt. Angesichts der Ungewissheit dieser Vorhersage und der gesundheitlichen Angeschlagenheit der Bordfrau entschließen wir uns gegen die Abfahrt und bleiben.
Minuten nach diesem Entschluss bestätigt sich die Richtigkeit dieser Entscheidung: Der Hafenmeister erscheint in Begleitung von Erik, der der Platzzuweiser des Vereins ist. Man erklärt uns in einem unsortierbaren Sprachkauderwelsch, dass am Wochenende 2000 Menschen für das große, traditionelle Muschelfest erwartet werden, einer davon Inhaber des Liegeplatzes sei, den wir morgen spätestens dafür räumen müssten. Wir könnten aber vier Plätze weiter liegen.
2000 Menschen sollen hier übermorgen auflaufen? Kaum zu glauben, aber eine Internetrecherche bestätigt dies: Miesmuschelfest in Snaptun

Wir zweifeln dennoch. Es sind keinerlei Vorbereitungen zu erkennen - und ob es hier überhaupt so viele Menschen gibt? Auf jeden Fall wollen wir das erleben! Es soll Musik geben und 2,5 Tonnen (!!) Muscheln sollen zubereitet werden!
Auf jeden Fall hat dieser Tag eine versöhnliche Wende mit dem Wetter gezeigt: Es hat nicht geregnet und das Thermometer hat die 20°C-Marke wieder überschritten. Das darf gerne so bleiben.
Spät am Abend finden wir auf dem Parkplatz einen Treckeranhänger mit 14 gefüllten Sandsäcken beladen, solche Säcke, mit denen man auf Großveranstaltungen Zelte vor dem Wegfliegen bewahrt. Ein erster Hinweis?

8.7. - Tag 14
Am Morgen hält es den Skipper nicht lange im Bett. Direkt nach der Dusche spioniert er auf dem Fischereigelände. Und tatsächlich: Ein großes Zelt wird errichtet, das Gerücht wird wahr!
Aber bis zur Eröffnung des Festes ist noch Zeit und danach wollen wir endlich weiter - bzw. wir wollen dann den Rückweg angehen. Es soll auch durch den Kleinen Belt zurück gehen, und dort wollen wir möglichst einige Tage autonom sein, evtl. irgendwo ankern oder in kleinen Häfen unterkommen, die vielleicht keine Versorgung bieten können. Ergo heißt es noch einmal den Proviant aufzustocken.
Diesmal nehmen wir dankbar die Fahrräder des Segelvereins und radeln nach Glud zu dem uns bereits bekannten Supermarkt.

Nach der Rückkehr berichtet die Bordfrau von ihrer Erkundung der Küstenlinie östlich des Hafens. Nun will sie ihre Erfahrungen teilen, und wir gehen die Strecke noch einmal. Es gibt einen Aussichtsturm, der um einen Baum herum gebaut unter dessen Krone führt.

Aussichtsturm

Es offenbart sich ein großartiger Blick über den Fjord und die Insel gegenüber.

Aussicht

Ein bisschen weiter gibt es eine Einführung in die strategische Wichtigkeit dieses Ortes im Verlauf vergangener Auseinandersetzungen. Von der Anhöhe wurde der Zugang zum Hinterland mit Kanonen kontrolliert. An der Spitze der Küste sieht man, wie das Meer am Land nagt.

angenagte Küste

Als wir zurückkehren ist das aufgebaute Zelt voll belebt. Uns kommt ein freundlich angetüdelter Däne entgegen und motiviert uns glücklich grinsend zur Teilnahme an der Happy Hour - "Halve Pris!". Dem können wir nicht widerstehen und setzen uns dazu. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung - nur lächelnde Gesichter um uns herum. Worum es hier wirklich geht und was gefeiert wird, erschließt sich uns nicht. Wir vermuten, dass es sich um eine Art Probe für den morgigen Tag handelt.

9.7. - Tag 15
Und so muss es wohl auch gewesen sein. Heute wird der gesamte Platz mit Tischen und Bänken bestückt, ein zweites Zelt mit großen Gasbrennern unter noch größeren Töpfen wird aufgebaut und daneben stehen fünf Paletten mit Muscheln. Am Kopf des Geländes steht ein LKW-Auflieger, der mit Bühnentechnik ausgestattet wird. Hier wird nicht gekleckert!
Doch bevor die Party steigt, hat der Skipper noch eine Pflicht zu erledigen. Weil er die Flasche mit dem gemeinsam genutzten Duschgel hat stehen lassen, will er für Ersatz sorgen und radelt allein noch einmal zum Supermarkt. Heute ist der (Gegen-)Wind heftiger und das geliehene Rad läuft nicht gut.
Es wird später Vormittag, bis wir das Frühstück zu uns genommen haben. Kaum ist alles wieder verstaut, ruft das Muschelfest. Wie aus dem Nichts ist der Platz plötzlich rappelvoll und es gibt zwei irrsinnig lange Schlangen vor dem Muschelküchenzelt. Stapelweise werden Schüsseln mit den gekochten Schalentieren zu den Tischen getragen.

Menschenmasse

Auch wir reihen uns ein und bekommen unsere Portion.

Muscheln

Eigentlich ist der Skipper kein großer Freund von Muscheln, aber dieses spezielle Ambiente steigert den Genuss! Eine Band spielt offensichtlich bekannte Songs, erkennbar daran, dass viele Besucher mitsingen. Wir kennen die Songs nicht, dänischer Country-Rock, gekonnt und locker vorgetragen - das macht Spaß.

Band

Überhaupt sind wieder ausschließlich lächelnde Gesichter zu sehen. Wir erinnern uns an die These, dass die Dänen das glücklichste Volk der Welt seien - alles sieht so aus, als wäre das wirklich so!
Der Wind pfeift weiter aus Nordwest, stärker noch als gestern. Und es ist wieder eher bewölkt - kein T-Shirt-Wetter. Langsam machen wir uns Gedanken über unsere Heimfahrt. Wir haben einfach keine Lust auf 20 Knoten Wind und mehr. Erst am Sonntagnachmittag soll der Wind runter gehen. Na gut. Dann ist das eben so. Gegenwärtig ziehen Böen mit über 24 Knoten über den Hafen, draußen werden es 30 Knoten sein. Die Santanita zappelt in der Box und zerrt an den Leinen. Die für das Hafenfest gesetzten Flaggen werden einem Qualitätstest unterzogen.

Flaggentest

10.7. - Tag 16

Der Wind lässt ein bisschen nach und dreht ein wenig auf Nordwest. Wenn wir heute nicht fahren, feiern wir Weihnachten in Snaptun. Nicht, dass das keine lustige Idee wäre, aber das echte Leben zwingt uns zu langweiligeren Realitäten. Eben diese Wahrheit zwingt uns, den Blick nach vorne zu richten und festzustellen, dass in der nun anbrechenden letzten Urlaubswoche wieder mit viel Starkwind zu rechnen ist und wir deshalb die komfortabel zu segelnden Wetterfenster nutzen sollten.
Wir verabschieden uns mit einem weinenden Auge von der Entdeckung des Urlaubs und lassen uns von der kräftigen Brise gen Süden schubsen. Somit ist es klar: Der nördlichste Ort unserer diesjährigen Reise liegt hinter uns.
Unser Ziel heißt Skaerbaek, ein kleiner Hafen inmitten der flussähnlichen Landschaft rund um Middelfart. Es gibt einige Empfehlungen aus Hafenhandbüchern und von einer benachbarten Damencrew.
Mit dem weiterhin üppigen Wind in den Segeln rauscht die Santanita vorbei an dem bereits besuchten Hafen Juelsminde und am Vejlefjord hinein in die Meerenge vor Fredericia. Dort verlieren wir ein 'Match' gegen eine beeindruckend schnelle X-332 mit rabenschwarzen Segeln - das demütigt uns nicht. Die letzten Meilen fahren wir unter Maschine gegen den Strom. Auch heute sichten wir einige Schweinswale.
Der Hafen von Skaerbaek überwältigt uns nicht mit Charme. Alles ist etwas steril, aber gepflegt und technisch in Ordnung. Das ist OK für uns, denn wir wollen ja nur übernachten und am nächsten Morgen weiter. Es gibt ein Restaurant am Hafen und eine Pizzeria, die uns einlädt, den Abend nicht mit Getüdel in der Kombüse zu verbringen. Also besuchen wir zwar den lokalen Supermarkt, aber eher, um nach Souvenirs und Mitbringseln zu spähen. Später gibt's dann dänisches Fastfood und ein belgisches Fassbier bei besagtem Hafenkiosk.

 

11.7. - Tag 17

An diesem Tag wird uns sicher klar, dass wir den Klimawandel erleben - wir sind Teil dessen, sind Täter und Opfer zugleich. Nach dem Ablegen aus Skaerbaek können wir zunächst einige Zeit segeln, dann schläft der Wind vollständig ein. Das ergänzt unseren Eindruck von der allgemeinen Wettersituation, und auch andere Seeleute bestätigen uns das: Entweder gibt es viel Wind, so wie gestern, oder gar keinen. Dir moderaten Phasen, die man (bzw. wir) als Segler eigentlich sucht, sind rar. Es bleibt keine andere Wahl, als die Maschine anzuschmeißen und somit in die Mitverursacherrolle zu geraten.

Flautenfahrt

Das fühlt sich nur sehr mittelmäßig an - um uns herum zig motorende Yachten, von den Booten, die ohnehin auf Vortrieb durch Verbrennungdsmotoren setzen, einmal ganz abgesehen. Als wollte er sich beschweren, taucht bei der Ausfahrt in den kleinen Belt noch ein Sehund auf und begafft uns.

Seehund

Während der Flautenfahrt fängt unser Rigg hunderte oder tausende Spinnenfäden ein, die - es kann nicht anders sein - über dem Meer durch die Luft schweben, mit deren Herstellerinnen, nämlich klitzekleinen Spinnen, die unser Boot besetzen. Das sich aus der Ansammlung der Fäden ergebende Bild wirkt gespenstisch - ein Beitrag zur Endzeitstimmung zum Thema Klimawandel.

Gespensterfäden

Wir 'jockeln' bis zur Ausfahrt des Aarösunds. Dahinter setzt ein sanfter Südostwind ein, der uns zumindest derart in Fahrt bringt, dass der Maschineneinsatz nicht mehr notwendig ist. Aber nach gut zwei Stunden Segelei - wir haben so die Bucht mit der zentral gelegenen Insel Barsoe passiert - schläft auch dieses Windchen wieder ein und wir motoren in den Alsfjord und in die Dyvig. Die Bordfrau ist ein bisschen traurig, dass wir so viele Orte links (und rechts) liegen gelassen haben, die wir gerne noch erkundet hätten. Aber wir sind inzwischen für den Folgetag in Hörup verabredet, und das Wetterfenster hat uns die Vorgaben gemacht, zumindest empfinden wir das so. Und in der Dyvig ist es ja auch wunderschön.
Dort angekommen sind wir überrascht, problemlos einen Liegeplatz zu bekommen. Es ist 18:00 Uhr und wir haben mit überfüllten Stegen gerechnet - aber besser ist es natürlich so! Wir haben Hunger. Weil wir uns dort gut auskennen, wissen wir, wann der Hafenmeister Erling den Grill anzündet. Alles passt perfekt zusammen, und so sitzen wir quasi direkt nach dem Anlegen am Tisch.
Während der vergangenen Zeit hat die Bordfrau mehrfach Hinweise auf eine Tournee einer Musikgruppe gelesen, die in verschiedenen Häfen gastiert. Und als wollte sich eine Vorhersage erfüllen, steigen von einem größeren Segelboot direkt am Hafenzentrum ein paar Menschen mit Instrumentenkoffern und bauen ihr Equipment vor dem Grill-, Ess- und Treffplatz auf.

Tourband

Das folgende kleine Konzert ist liebevoll menschennah und es entfaltet sich eine empathische Stimmung. Die Menschen singen die Lieder mit, die mit kleinem Instrumentenbesteck handgemacht dargeboten werden. Leider verstehen wir fast kein Wort, aber es müssen auch ein paar kritische Statements transportiert worden sein, denn es geht an einer Stelle wohl auch um die Ukraine und der Name Putin wird erwähnt. Wir hatten diese weltpolitische Misere weitgehend verdrängen können, aber natürlich ist sie nicht ausgestanden. Trotzdem bleibt die Veranstaltung am Ende fröhlich und wir ziehen uns mit einem angenehmen Wohlgefühl zurück.

 

12.7. - Tag 18

Es kann wieder gesegelt werden. Zwar ist der Wind schwach, aber wir kommen voran. Wir haben keinen großen Trip vor - nach Hörup soll es gehen. Im Alssund kommt der Wind dann unerwartet spitz von vorne, so dass wir drei Holeschläge machen müssen, aber der Anspruch, den Sund unter Segeln zu durchfahren, wird durch die stundenlange Jockelei des Vortages verstärkt. Also nehmen wir die Tücher nur kurz für die Klappbrücke runter und danach gleich wieder hoch und segeln in einen unserer liebsten Häfen. Wir sind mit dem befreundeten Seglerpaar von der Hedda verabredet, und die sind auch schon da. Nach etwas Unsicherheit hinsichtlich der richtigen Platzwahl sind wir fest in einer Box an der Westmole an einem neuen Steg, mit Blick auf die Bucht und mit dem Bug im Wind, der schon am Nachmittag wieder ordentlich aufdrehen soll. Genau aus diesem Grund sind wir verhältnismäßig früh gestartet. Wir grillen, sitzen abends lange beisammen und teilen unsere Erlebnisse. Die beiden haben sich die Möglichkeit geschaffen, weitgehend zeitlich ungebunden dem Leben auf See nachgehen zu können - das wollen wir irgendwann auch. Wir leeren die Pfützen in ein paar Flaschen und verkrümeln uns irgendwann in die Koje.

 

13.7. - Tag 19

Die Hedda verlässt uns nach einem gemeinsamen Frühstück, das wir zu sechst mit einem freundlichen Entenpaar eingenommen haben.

Entenpaar

Der Tag ist windig, aber warm. Wir nehmen ein Bad, erledigen den Einkauf und freuen uns über einen vollständig pflichtbefreiten Verlauf. Unser Bordleben ist inzwischen so routiniert, dass wir damit eigentlich nicht mehr aufhören wollen, schon gar nicht in wenigen Tagen. Die Bordfrau schaut aber deutlich in die nahe Zukunft und ermittelt für die bereits angebrochene und für die kommenden Tage dauerhaft angesagte Starkwindphase ein Zeitfenster für die Abreise aus Hörup Richtung Kiel: Gleich morgen früh soll es losgehen. Wir reffen noch an diesem Abend im Hafen das Großsegel stark ein und bereiten unser Schiffchen auf eine raue Fahrt vor - in die Schlei oder nach Damp soll es gehen.

14.7. - Tag 20
Die Kaltfront ist nicht so kalt wie befürchtet, aber der Wind pfeift ordentlich. Knackige 5 Beaufort wurden uns angekündigt, in den Spitzen ist es das obere Ende von 6 Beaufort. Auch kommt der Wind nur zu Beginn raumschots, südlich der Schlei müssen wir ziemlich anluven und so sind es an Deck sicher 30 Knoten Wind. Aber die gute Einstellung auf die Sache, das zweite Reff im Großsegel und der Umstand, dass wir nicht noch zusätzlich große Wellen abreiten müssen, macht die Fahrt erträglich. Wir entscheiden uns für Damp, weil wir dann nicht gegen den Wind in die Schlei motoren müssen und weil es aus Damp kürzer nach Kiel ist. Bei dem vielen Wind ist die Fahrt natürlich rasant, wir haben dauerhafte Phasen von um die 9 Knoten auf der Logge, einmal sind es 9,4. So viel Wind hatten wir mit der neuen Santanita noch nicht - eine wichtige Erfahrung.

9.4

 

15.7. - Tag 21

Hier endet der Reisebericht, weil zwei Tage Resturlaub in Damp nicht weiter erwähnenswert sind. Auch die noch bevorstehende Querung der Eckernförder Bucht wird keine besonderen Ereignisse mehr mit sich bringen.
Wir hatten eine gute Zeit. Vermutlich haben wir nicht den Höhepunkt des Sommers erwischt, aber nächstes Jahr haben wir eine neue Chance!

 

16.7. - Tag 22

OK, die Bordfrau reklamiert die Unvollständigkeit des Berichts, und schon sitzt der Skipper wieder an der Konsole. Also: More to come....

Tatsächlich gibt es noch zwei Erfahrungen, über die ein paar Zeilen zu verlieren sind:
Im Hafen von Damp nistet ein Schwanenpaar. Die Küken sind vor einigen Tagen geschlüpft und die Eltern führen ihren Nachwuchs aus dem Nest in die Welt hinaus. Was wir noch nie beobachtet haben, ist, dass die Küken dazu unter den Flügeln der Alten Platz finden und quasi Huckepack durch den Hafen gepaddelt werden - äußerst komfortabel und natürlich maximal geschützt vor den offensiven Seemöwen, die in Damp einen üblen Ruf haben. Sie bringen durch hinterlistige Luftangriffe Menschen um ihre Brötchen und Pommes, und es wurde auch bereits ein Entenjunges verputzt - gut vorstellbar, dass die auch vor einem Schwanenküken kein Halt machen.

Schwanenhuckepack

Und dann war da noch die Innovation des Jahrtausends - kurzer Rückblick: Als der Skipper noch kein Skipper war, war er in den 70er Jahren zu Besuch in Damp, damals "Damp 2000", um die Vision der Zukunft in der Namensgebung zu implizieren. Jetzt endlich, rund 50 Jahre später, findet die Zukunft in Damp tatsächlich statt: Hier klicken!

Und zum Schluss erklärt auch noch Skipper's Büx die Reise für beendet. Ein Krabbelmanöver in der Vorratskajüte hat das Textil über die Grenze seiner Belastbarkeit gezwungen - und natürlich die 10 Jahre vorher, in denen der feine Zwirn zur Lieblingshose aufgestiegen ist. Unüberwindbare Wiederbeschaffungsprobleme zeichnen sich ab.

tote Hose

 

17.7. - Tag 23


Heimfahrt. Dazu gibt es wirklich nichts zu schreiben.....

GPS-Track

Fin.

Schild rot